Wende im zweiten Quartal: Keine Preiseinbrüche: Aber Pandemie sorgt am Immobilien-Markt für neue Trends
Covid-19 löst am Wohnimmobilienmarkt Besorgnis aus. Nach aktuellem Stand sind Preiseinbrüche wenig wahrscheinlich – wohl aber Verschiebungen bei den Präferenzen. Worauf sich Immobilieneigentümer einstellen müssen.
Seit Frühjahr 2020 bewegt Covid-19 die Wirtschaft. Der Wohnungsmarkt bildet keine Ausnahme. „Wohnimmobilienkäufer müssen umdenken“, „Die finanziellen Spielräume sinken“, „Corona spaltet Immobilienmarkt“, „Gefährdete Stadtlagen“ – die Schlagzeilen der vergangenen Wochen klangen teils alarmierend.
Kein dauerhafter Wertverlust
Doch aktuelle Marktuntersuchungen, sei es von wissenschaftlich-empirischer Seite wie dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) oder auch von aktuellen Marktdaten der Online- Plattformen wie Hypoport oder Immoscout24, bestätigen solche Alarmmeldungen der Tageszeitungen kaum.
Die Botschaft lautet eher: Besitzer von Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen müssen einen nachhaltigeren Wertverlust ihrer Immobilie aller Voraussicht nach kaum befürchten. Jedoch dämpfen die Virusfolgen den Preisauftrieb. Und auch innerhalb des Marktes gibt es Verschiebungen.
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Schnell zur Tagesordnung übergegangen
Das sah nicht immer so aus. Vor allem im Februar/März paralysierte Corona auch die Wohnungsmärkte. Inzwischen scheint das abgehakt zu sein, zumindest vorerst. „Die Kaufpreise ziehen in der gesamtdeutschen Betrachtung über alle Immobilientypen hinweg wieder stärker an“, heißt es beim Branchenportal Immoscout24.
„Wer gehofft hat, durch Corona günstig an Wohneigentum zu kommen, wurde enttäuscht“, beobachten die Experten der Hypoport-Privatkundentochter Dr. Klein. Und: „Keine Spur von Corona bei den Wohnimmobilienpreisen.“ Jedoch wirkt die Viruskrise auf die bisher gekannte Aufwärtsdynamik: „Es wird nicht mehr jeder Preis bezahlt“, so André Hasberg von Dr. Klein.
Trendwende schon wieder im zweiten Quartal
In konkreten Zahlen: Bei der Plattform Immoscout24 zogen die Angebotspreise für Neubauhäuser im zweiten Quartal 2020 gegenüber dem ersten Vierteljahr deutschlandweit wieder um 1,5 Prozent an. Von Januar bis März waren sie coronabedingt gegenüber dem Vorquartal dagegen noch um rund zwei Prozent gesunken. Im Jahresvergleich steht zum 31. Juli 2020 ein Plus von 1,6 Prozent. Dagegen legten die durchschnittlichen Kaufpreise für Bestandshäuser auf Jahressicht um deutliche 5,5 Prozent zu.
Die Marktbeobachter vom Hypoport-Kreditmarktplatz Europace teilen diese Beobachtung. „Neben der Sättigung, der sich die Preise für Neubauten seit einiger Zeit anzunähern scheinen, spielt sicherlich eine große Rolle, wie umfang- und letztendlich auch risikoreich ein Neubauobjekt sein kann. Bestandsbauten tragen zwar das Risiko einer schlechten Substanz, darüber hinaus kann der Käufer aber schnell die sich bietenden Parameter mit seinen eigenen Wünschen abgleichen“, erklärt Europace- Co-Vorstandschef Stefan Münter.
Kaufpreise ziehen in den meisten Metropolregionen weiter an
Ähnlich sieht es bei Eigentumswohnungen aus. Im Bestand zogen die Preise in den fünf Metropolregionen Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München im zweiten Quartal gegenüber dem ersten durchschnittlich wieder um 2,5 Prozent an und beim Neubau um 1,3 Prozent, hier allerdings bei einer Spreizung von plus 2,2 Prozent in Hamburg und minus 1,2 Prozent in Frankfurt. Insgesamt entwickle sich der Markt für Kaufimmobilien auch künftig robust, kommentiert Thomas Schroeter, Geschäftsführer von Immoscout24. „Für Käufer bedeutet dies allerdings weiterhin steigende Kaufpreise.“
Aber in Zukunft? So weit die Momentaufnahme. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat im Auftrag der Deutschen Reihenhaus AG versucht, auch die längerfristigen Effekte der Corona-Krise auf die Häuser- und Wohnungspreise abzugreifen. Hier sieht es nicht mehr ganz so positiv aus, vor allem wenn Corona die Wirtschaft noch länger lähmen sollte.
Die wichtigsten Determinanten für den Wert einer Wohnimmobilie sind demnach: die künftig erzielbaren Mieterträge – wenn auch bei Eigenutzung nur theoretisch -, die Zinsen sowie eine Risikoprämie, welche die Sicherheit bzw. in unruhigen Zeiten eher die Unsicherheit der getroffenen Prognosen mit berücksichtigen soll.
Obendrauf kommt noch die Erwartungshaltung am Markt: Sie schlägt sich in den bereits gezahlten Preisen nieder. Zu optimistische Erwartungen fördern eine Blasenbildung und erhöhen die Gefahr eines Rückschlags bei einem volkswirtschaftlichen Schock, wie es eine längere Fortdauer des Corona-Stillstands sein könnte. „Solche spekulativen Übertreibungen am deutschen Wohnungsmarkt sind bisher nicht zu erkennen“, winken die Kölner Wissenschaftler aber ab. Die Bundesbank ist hier etwas skeptischer.
Mietpreiswerwartungen dürften sinken
Anders verhält es sich bei dem vom IW benannten drei bestimmenden Determinanten für die Wohnungspreise. „Die Wirtschaftskrise wirkt auf alle drei Einflussfaktoren“, erklären die Experten. So dürften mögliche Insolvenzen und eine vermehrte Arbeitslosigkeit die zukünftigen Mietpreiserwartungen vermindern, weil den Haushalten insgesamt weniger Einkommen zur Verfügung steht. Dies könne sich tendenziell negativ auf die Wohnungs- und Hauspreise auswirken. Eine relevante Reduktion des Mietniveaus befürchtet das Institut jedoch nicht und verweist auf die Erfahrung in der Finanzkrise.
Steigen dürfte bei zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit jedoch das Risiko. Dem steht eine positiv wirkende Zinstendenz gegenüber. In der Kombination dieser Effekte sei für Deutschlands Wohnimmobilienmarkt möglicherweise mit leichten Preisreduktionen oder auch nur mit einer Seitwärtsbewegung zu rechnen, ziehen die Kölner ein Fazit. Wobei Letzteres geringe Preisaufschläge entsprechend der Inflationsrate mit umfassen würde. Je weniger die Zinsen allerdings sinken und je stärker der Wirtschaftseinbruch ausfällt, desto stärker dürfte der negative Preiseffekt sein, meinen die IW-Forscher. Dieses Negativ-Szenario halten sie aber für weniger wahrscheinlich. „Die Chancen stehen gut, dass der Wohnimmobilienmarkt relativ gut durch die aktuelle Krise kommt“, so das Fazit.
Gewohnt wird immer
Die jüngsten Markttendenzen untermauern eine solch eher positive Sicht. Nach dem Corona- Stillstand beginnen Immobiliengesellschaften wieder vorsichtig, Mieten anzuheben. So kündigte etwa LEG Immobilien eine erste Erhöhung für November 2020 an. „Aber nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete.“ Die Düsseldorfer bauen übrigens wie andere Wohnungskonzerne auch ihr Portfolio weiter aus.
Nach dem Corona-Schock, der manche Gewerbeimmobilienmärkte heftig traf und dort teils zu erheblichen Mietausfällen führte, entdecken auch andere Großinvestoren die Stabilität von Wohnungsinvestments. Bis Juni, so Marktanalysen, lagen die coronabedingten Mietstundungen hier bei deutlich weniger als einem Prozent. Auch der eigentlich auf Gewerbe zielende Offene Immobilienfonds Hausinvest baute so seinen Wohnungsanteil im Portfolio kräftig aus.
Laut Branchendienstleister CBRE stehen aktuell mindestens ein halbes Dutzend Wohnportfolios im Wert von mehr als fünf Milliarden Euro vor der Vermarktung. Auch wenn solche Großadressen nicht in Einfamilienhäuser oder kleine Apartmenthäuser investieren, so zeigt dies doch eine klare Tendenz. Was den Großen recht ist, sollte den Kleinen billig sein. Zudem sinkt das Angebot am Markt, was generell preisstützend wirkt. Die Praxis bestätigt das bisher: „Während viele Propheten einen Einbruch am Immobilienmarkt aufgrund der Corona- Krise heraufbeschwören, sehen wir vielmehr einen gleichbleibenden Trend über alle Bereiche hinweg, der von einer weiterhin zunehmenden Nachfrage und steigenden Preisen gekennzeichnet ist“, so die Marktbeobachter von Europace.
Neue Trends zeichnen sich ab
Gleichzeitig weisen sie aber auch auf merkliche Verschiebungen unterhalb der großen allgemeinen Entwicklung hin. So sind Häuser neuerdings begehrter als Wohnungen. Abstand zählt bei Corona. Und der ist bei dem Einfamilien- oder Reihenhaus eher gegeben als bei neben- oder übereinanderliegenden Apartments. Bei Google Trends erreichten die Suchwerte nach Wohnungen und Häusern zuletzt neue Rekorde.
Gleichzeitig stellt der Trend zum Home-Working veränderte Anforderungen an Größe und Schnitt der eigenen Behausung. „Durch die Wohnraumknappheit in den Städten leben viele Menschen meist in eher kleinen, kompakten Apartments“, stellt IW-Immobilienexperte Ralph Henger fest. Zudem wurde früher oft eine offene Bauweise präferiert. Nun sind geschlossene, kleinere Räume gefragt, in denen parallel zueinander Kinder ungestört Hausaufgaben und Eltern ihren Online-Job erledigen können.
„In einer Welt, in der ein weiterer Lockdown vorstellbar ist, spielt zudem mehr Wohnfläche eine große Rolle, auch in Form von Terrassen, Balkons und Loggien“, so Henger. Solche Wohnungen sind aber in der Stadt nicht die Regel, oftmals teuer und für Normalverdiener häufig nicht zu stemmen. Aus diesem Grund sei es denkbar, dass das Wohnen außerhalb, im suburbanen, aber auch im ländlichen Raum, eine Renaissance erfahre, prognostiziert der IW-Immobilienexperte. Wenn der Pendler künftig nur noch dreimal statt fünfmal in der Woche ins Büro in die Stadt fahren müsse, mache das schon einen Unterschied. Das Land als Wohnort könnte somit an Attraktivität gewinnen.
Dies deckt sich mit den Beobachtungen von Europace. Die Hypoport-Tochter macht das an den Finanzierungen fest. Der Anteil von Land und stadtnahem Land schnellte hier bis Mai auf 78 Prozent hoch gegenüber 70 Prozent vor der Corona-Krise.
Das Fazit aus diesen Punkten: Wohnungen oder Häuser, die solchen Trends entsprechen, besitzen weiterhin ein gutes Wertsteigerungspotenzial oder es eröffnet sich ganz neu wie bei manchen Landlagen. Umgekehrt dürfte der Spielraum bei aus den Trends fallenden Objekten sinken.
Zudem steige der Stellenwert der eigenen vier Wände, stellen die Europace-Experten fest. Sie begründen das mit der Zunahme der Renovierungsaufwendungen, angeschoben auch vom Trend zum Home-Office. So liege der Nachfrage für Modernisierungskredite konstant auf einem sehr hohen, wachsenden Niveau. Gleichzeitig zog die Nachfrage nach Forward-Darlehen sprunghaft an. Mit diesen Krediten lassen sich die Zinsen von Eigentümern heute festschreiben, auch wenn das Geld erst in etlichen Monaten gebraucht wird.
Trotz der Corona-Pandemie und vieler Unsicherheiten am Markt sei der Bedarf an Immobilien ungebrochen, so das Fazit von Immoscout24. Das spricht kaum für sinkende Werte für Häuser und passende Eigentumswohnungen.
Der Wert-Schätzer – Formel zum Selberrechnen
Über Angebote von Häusern oder Apartments in derselben Region und von ähnlicher Größe und Güte lässt sich auf Online- Marktplätzen der ungefähre Wert auch der eigenen Immobilie abschätzen. Doch wie sieht es damit möglicherweise in zwei, drei oder vier Jahren aus? Hier lässt sich ebenfalls der Immobilienwert grob taxieren. Abhängig ist das Ergebnis einer solchen Rechnung naturgemäß von den Annahmen, die bezüglich der möglichen Entwicklung am Markt getroffen werden. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) verweist auf nebenstehende gängige mathematische Formel für eine solche Kalkulation. Sie bezieht sich zunächst auf den Gegenwartswert einer Immobilie.
Die Gegenwart: Im Mittelpunkt stehen Mieterträge, die sich mit dem Objekt erzielen lassen. Sie fallen bei der selbst genutzten Wohnung natürlich nicht an. Ein Investor, der die Immobilie erwerben möchte, würde aber oft so rechnen, um auf einen marktgerechten Preis zu kommen. „Aus Sicht des Investors erwirbt man mit dem Kauf einer Immobilie einen künftigen Zahlungsstrom“, erklärt das IW. So entspricht die Summe der künftigen abdiskontierten Mieterträge dem jetzigen Wert der Immobilie.
Errechnen lässt sich dies mit der obigen Formel. Notwendig sind als Annahmen: Mietenentwicklung, Nutzungsdauer, sicherer Zins als Alternative zum Immobilienertrag plus ein Unsicherheitsabschlag, die Risikoprämie. Sie ist gering bei sicherer Vermietung (oder sicherem Käufer) in guten Lagen, größer etwa bei Gefahr von Leerständen. Mit diesen Annahmen lässt sich dann mit der in der Branche gebräuchlichen Formel der Marktwert des Hauses oder der Wohnung errechnen.
Die Zukunft: Verändert sich nun das Marktumfeld, hat dies Einfluss auf die Annahmen. Die Covid-19-Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen könnten die künftigen Mieten drücken oder nur ihren Erhöhungsspielraum begrenzen. Staatliche Deckel bremsen hier gewiss. Umgekehrt treiben über Erwartung sinkende Zinsen, etwa starke Minussätze, oder eine vermehrte Wohnungsnachfrage, welche die Risikoprämie drücken würde, den Immobilienwert tendenziell nach oben.
Es lässt sich so leicht durchspielen: Was wäre, wenn …? Wo würde der rechnerische Wert auch meines Hauses oder meiner Wohnung landen, wenn staatliche Mietendeckel Usus würden, was in der Formel die Größe m berühren würde? Oder was wäre, wenn ein neuer Sachwerte-Run losbräche, der die Risikoprämie p vielleicht sogar ins Negative kehrt? Vorlagen zum Rechnen.
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