Die Deutschen sollen mehr und länger arbeiten – aber bitte freiwillig. Wir haben drei Ideen aus den vergangenen Tagen genauer unter die Lupe genommen, die aus dem Lager der Union (CDU/CSU) und Freie Wähler (FW) gekommen sind.
1. Grundfreibetrag auf 24.000 Euro erhöhen
Was ist die Idee? FW-Chef Hubert Aiwanger schlug in einer Gesprächsrunde der Bild zuletzt vor, dass künftig niemand unter 2000 Euro Monatseinkommen mehr besteuert werden sollte. Auch die Sozialabgaben sollten unter dieser Grenze entfallen. Praktisch kommt das einer Erhöhung des Grundfreibetrags gleich. Das ist die Summe, die auch heute schon von jedem Einkommen abgezogen wird, bevor die Steuerlast berechnet wird. Sie liegt seit Januar bei 10.908 Euro. Aiwanger will sie also mehr als verdoppeln.
Was soll das bringen? Der FW-Chef argumentiert, dass sich mit seiner Idee Arbeit wieder mehr lohnen würde. Schließlich profitieren nicht nur Geringverdiener von einem höheren Grundfreibetrag, auch alle, die mehr als 2000 Euro im Monat verdienen, müssen weniger Steuern bezahlen. Aiwanger schätzt, dass so bis zu einer Million Menschen wieder einen Job annehmen würden. Das brächte mehr, als qualifizierte Zuwanderer zu suchen.
Was müssen Sie zu diesem Plan wissen? Für Arbeitnehmer ist Aiwangers Idee super. Rund ein Drittel der Alleinlebenden und 28 Prozent der Alleinerziehenden würden damit keine Abgaben mehr zahlen. Für alle, die mehr als 2000 Euro im Monat verdienen, sind die genauen Ersparnisse schwer zu berechnen, weil die Grenzen für die Einkommensteuersätze neu angepasst werden müssten. Grundsätzlich gilt aber: Je mehr Sie verdienen, desto mehr nutzt Ihnen auch ein höherer Grundfreibetrag. Das war etwa schon bei der Änderung zu Jahresbeginn so, als der Freibetrag um 500 Euro angehoben wurde.
Einen Haken hat das aber: Wer keine Rentenbeiträge zahlt, der erwirbt auch keine Rentenansprüche. Alle Menschen mit weniger als 2000 Euro Monatseinkommen würden dann also keinen einzigen Euro für ihre gesetzliche Rente ansparen.
Wenn alle Arbeitnehmer weniger Steuern und Sozialabgaben bezahlen, fehlen dem Staat aber jede Menge Einnahmen. Allein für die Entlastung der Geringverdiener wären das rund 7 Milliarden Euro Einkommensteuer pro Jahr sowie 10,5 Milliarden Euro für die Krankenkassen, 12,2 Milliarden Euro für die Rentenkasse und 3 Milliarden Euro für die Pflegeversicherung. Wie das gegenfinanziert werden soll, verrät Aiwanger nicht. Selbst, wenn durch die Änderung eine Million neue Jobs geschaffen würden, müssten diese im Schnitt mehr als 200.000 Euro pro Jahr brutto bezahlen, um die Kosten auszugleichen. Dabei sind die Kosten für die Steuersenkung aller, die mehr als 2000 Euro im Monat verdienen, noch nicht einmal eingerechnet.
2. Überstunden sollen steuerfrei sein
Was ist die Idee? Der CDU-Vizevorsitzende Carsten Linnemann hatte vergangene Woche als erster die Idee in die Öffentlichkeit getragen, dass Überstunden nicht mehr besteuert werden sollten. Die CDU/CSU nahm die Idee am Freitag in ihr Zehn-Punkte-Programm mit auf.
Was soll das bringen? Statt neue Fachkräfte zu suchen, sollen die bestehenden einfach mehr arbeiten. Das ist die Idee der CDU/CSU. Menschen, die bisher einen Zweitjob angenommen haben, um über die Runden zu kommen, sollen so auch einfach mehr in ihrem Hauptjob arbeiten können und dort besser verdienen.
Was müssen Sie dazu wissen? Steuerfreie Überstunden klingen auf den ersten Blick nach einer arbeitnehmerfreundlichen Idee, doch die Union müsste das Gesetz deutlich beschneiden, damit es praktikabel wird. Wären Überstunden unbegrenzt steuerfrei, könnte sich jeder für einen 10-Stunden-Job einstellen lassen und dann einfach 30 Überstunden machen – und so bei gleichem Arbeitspensum wie bei einer 40-Stunden-Woche deutlich mehr verdienen.
Mit dem Plan gibt es zudem mehrere soziale Ungerechtigkeiten: Erstens leisten nach allen Statistiken Besserverdiener mehr Überstunden als Geringverdiener – das Gesetz käme also denen am meisten zugute, die sowieso schon am meisten verdienen. Zweitens leisten Männer doppelt so viele Überstunden als Frauen, weil diese eben häufiger in die Kinderbetreuung eingebunden sind. Ihr finanzieller Malus würde sich also noch verschlimmern.
Zudem wäre der Plan für den Staat teuer. Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 1,3 Milliarden Überstunden geleistet. Davon waren rund 700 Millionen unbezahlt, weil sie etwa durch Freizeit ausgeglichen wurden. Nehmen wir an, die Zahl der bezahlten Überstunden würde sich durch die Steuerfreiheit um 50 Prozent von derzeit 600 auf 900 Millionen Stunden erhöhen und würden diese durchschnittlich von Leuten mit 4000 Euro Monatsbruttoeinkommen geleistet, entgingen dem Staat dadurch rund 3 Milliarden Euro an Einkommensteuer.
3. Rentner sollen steuerfrei arbeiten dürfen
Was ist die Idee? Ebenfalls Aiwanger äußerte bei der Bild die Idee, dass Rentner demnächst steuerfrei nebenher arbeiten können sollten. Auch Linnemann hatte das bereits im Mai gegenüber FOCUS online vorgeschlagen. Der Plan findet sich aber nicht im 10-Punkte-Papier der Union wieder. Erlassen werden sollen dabei aber nur Einkommen- und Kirchensteuer, nicht die Sozialabgaben.
Was soll das bringen? Linnemann argumentiert, dass mit dieser Maßnahme bereits in den Ruhestand eingetretene Fachkräfte wieder zur Arbeit motiviert werden könnten, was dem Fachkräftemangel im Land entgegenwirken würde. Der CDU-Mann sieht sich durch eine Umfrage der Bild-Zeitung bestärkt, wonach 52 Prozent der heute Über-60-Jährigen angaben, im Ruhestand weiterarbeiten zu wollen, wenn sie dafür keine Steuern zahlen müssten.
Was müssen Sie dazu wissen? Zuerst einmal die nackten Zahlen: Ein Rentner, der mit einem Monatsgehalt von 2500 Euro brutto noch weiterarbeitet, hätte durch den Vorschlag rund 250 Euro mehr netto. Bei 4000 Euro Einkommen sind es etwa 640 Euro mehr, bei 6000 Euro brutto rund 1300 Euro mehr. Zusätzlich sollen die Rentner auch ihre Rente normal beziehen und versteuern, der Job wäre also ein reiner Zusatzverdienst.
Für den Staat wäre das eine teure Angelegenheit. Derzeit gibt es rund 11 Millionen Rentner zwischen 65 und 80 Jahren in Deutschland. Würden 52 Prozent von Ihnen wie in der Umfrage angegeben weiterarbeiten und dabei im Schnitt 3000 Euro im Monat verdienen, entgingen dem Staat jährliche Steuereinnahmen von 25 Milliarden Euro. Anzunehmen wäre, dass diese Rentner Arbeitsplätze belegen, die sonst jüngere Menschen einnehmen würden, die voll Steuern zahlen würden. Wie bei den beiden anderen Vorschlägen gibt es hier noch keine Informationen, wie dies gegenfinanziert werden soll.
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