Gastkolumne: So bekommen Sie mehr Rente durch Ihre Kinder
Kindererziehung braucht Geduld, kostet Nerven und ist zeitintensiv. Viele Elternteile verzichten in den ersten Jahren auf den Job und damit verbunden auch auf Einkommen. Doch Kindererziehungszeiten lassen sich auf die Rente anrechnen. Wie das geht und was Mütter und Väter dabei beachten müssen, erklärt ARAG Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer.
Provision – ohne Mehrkosten für Sie!
Mehr Infos
Als Ausgleich dafür, dass Mütter und Väter in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes oft nur eingeschränkt oder gar nicht arbeiten können, erhalten sie in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtbeiträge gutgeschrieben und bekommen dadurch für die Kindererziehungszeit später mehr Rente. Die Rentenbeiträge übernimmt während dieser Zeit der Bund. Die Kindererziehungszeiten werden aber nicht automatisch eingeräumt, sondern müssen bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden (Formular V0800 ). Das können Eltern auch nachträglich noch tun, spätestens aber mit ihrem Rentenantrag. Als Nachweis dient die Geburtsurkunde des Kindes.
Wenn gleichzeitig mehrere Kinder erzogen werden, z. B. bei Mehrlingsgeburten oder wenn das zweite Kind während der Kindererziehungszeit des ersten Kindes geboren wird, verlängert sich die Erziehungszeit um den Zeitraum, in dem beide oder mehrere Kinder gleichzeitig erzogen werden. Wichtig: Erziehungszeiten gelten auch für Adoptiv-, Stief- oder Pflegekinder.
Rente: Wie viel Geld gibt’s?
Wer Beiträge in die Rentenkasse entrichtet, erhält dafür Rentenpunkte. Bei der Rentenzahlung wird jeder Rentenpunkt mit einem aktuellen Rentenwert multipliziert. Dieser wird jährlich neu berechnet, um die Inflation auszugleichen. Zurzeit liegt der Rentenwert bei 36,02 Euro in den alten Bundesländern und bei 35,52 Euro in den neuen Bundesländern.
Über den Gastautor:
Tobias Klingelhöfer ist Rechtsanwalt und seit vielen Jahren als Rechtsexperte für die ARAG tätig. Als Gastkolumnist für FOCUS Online informiert er Verbraucher über ihre Rechte und Pflichten in verschiedenen Lebenssituationen.
Für alle vor 1992 geborenen Kinder werden durch die sogenannte „Mütterrente“ 30 Monate und 2,5 Rentenpunkte pro Kind angerechnet, für alle nach 1992 geborenen Kinder sind es 36 Monate und drei Rentenpunkte pro Kind. Das bedeutet im ersten Fall je nach Bundesland also ein Rentenplus von rund 90 Euro monatlich und bei jüngeren Kindern rund 108 Euro mehr Bruttorente monatlich.
Allerdings gibt es eine Beitragsbemessungsgrenze. Liegt der monatliche Bruttoverdienst in Ostdeutschland höher als 7100 Euro, gibt es keine Rentenerhöhung durch Kindererziehungszeiten. Für Westdeutschland liegt die monatliche Obergrenze bei 7300 Euro brutto. Diese Deckelung wurde sogar vom Bundessozialgericht als gerechtfertigt und verfassungsgemäß angesehen (BSG, Az.: B 13 R 14/18 R).
Auch für Väter
Die Kindererziehungszeit wird jedoch nur einem Elternteil zugeordnet – und zwar demjenigen, der den Nachwuchs überwiegend erzogen hat. Daher können sich auch Väter oder Großeltern Kindererziehungszeiten anrechnen lassen, wenn sie nachweislich den größten Erziehungspart übernommen haben. Erziehen beide Elternteile gemeinsam zu ungefähr gleichen Teilen, werden grundsätzlich der Mutter die Beitragszeiten in der gesetzlichen Rente gutgeschrieben. Soll trotzdem der Vater die Mütterrente bekommen, muss das Ehepaar eine gemeinsame Erklärung bei der Rentenversicherung abgeben.
Übrigens: Kindererziehungszeiten stehen auch nicht rentenversicherten Selbstständigen zu und zwar unabhängig von der Höhe ihres Verdienstes.
Kindererziehungszeiten auch im EU-Ausland
Eltern haben auch Anspruch auf Erziehungszeiten, wenn sie ihre Kinder in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) erziehen. Die Zeit im Ausland muss bei der Berechnung der Altersrente im Heimatland angerechnet werden (Europäischer Gerichtshof, Az.: C-576/20).
Eltern, die während der Kindererziehung bereits die Regelaltersgrenze aus der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht haben und eine Altersvollrente beziehen, können keine Erziehungszeiten beantragen. Auch wenn es eine andere Altersversorgung gibt, die eine gleichwertige Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vorsieht, wie zum Beispiel bei Beamten- oder einer kirchlichen Versorgung, werden keine Kindererziehungszeiten berücksichtigt.
Es gibt noch weitere Ansprüche rund um die Kindererziehung, die sich rentensteigernd auswirken können. Dazu gehören sogenannte Berücksichtigungszeiten. Im Gegensatz zu den Kindererziehungszeiten, die als Beitragszeiten gelten, erhöhen Berücksichtigungszeiten die Rente indirekt, indem sie als zusätzliche Versicherungszeiten gelten. Damit können also Lücken im Versicherungslauf geschlossen oder Renten-Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten aufgewertet werden. Die Berücksichtigungszeit für Kindererziehung beginnt mit dem Tag der Geburt des Kindes und endet nach zehn Jahren, egal wann das Kind geboren ist. Auch diese Zeiten müssen beantragt werden (V0810 ).
Alles, was Sie über Ihre Rente wissen müssen
Der FOCUS Online Ratgeber beantwortet auf 135 Seiten alle wichtigen Fragen rund ums Thema Rente. Plus 65 Seiten Formulare.
Zum Autor
#Immobilien #Recht #Aachen