Das Problem der Gaspreisbremse ergibt sich aus dem Aufbau der Staatshilfe: Diese gilt erst seit März, aber rückwirkend für Januar und Februar. Wer Anfang März in einen günstigen Vertrag wechselte, verliert dadurch seinen Anspruch für Januar und Februar.
Gaspreisbremse: Wer zum März in günstigen Tarif wechselte, fällt durchs Raster
Ein Beispiel:
- Hat eine Familie im Januar und Februar 20 Cent pro Kilowattstunde für Gas gezahlt, stünde ihr die Gaspreisbremse eigentlich zu
- Die Gaspreisbremse fängt für 80 Prozent des letzten erfassten Jahresverbrauchs vor September 2022 alle Gaskosten über zwölf Cent pro Kilowattstunde auf.
- Die Familie sollte also für einen Großteil ihres Gasverbrauchs acht Cent pro Kilowattstunde weniger zahlen. Eine deutliche Ersparnis.
- Die Ersparnis greift aber nur, wenn die Familie auch im März ihr Gas zum teuren Tarif bezieht.
- Ist die Familie zum 1. März in einen günstigeren Tarif für weniger als zwölf Cent pro Kilowattstunde gewechselt, entfällt durch die Gesetzeslücke ihr Anspruch auf die Gaspreisbremse. Weil sie im März unter dem Schwellenwert liegt und damit nicht für die Staatshilfe berechtigt ist, müssen weder ihr bisheriger noch ihr neuer Gaslieferant den Rabatt auszahlen.
Gesellschaftlich gewünschtes Verhalten wird bestraft
Verbraucht die Familie aus diesem Beispiel 2000 Kilowattstunden Gas monatlich, versagt ihnen die Gesetzeslücke für Januar und Februar laut dem Geldratgeber Finanztip rund 200 Euro. Wie viel genau, hängt von ihrem Gaspreis für Januar und Februar ab.
Tragisch ist die Lücke, weil Haushalte, die ihre Energiekosten aus eigener Kraft senken, aus gesellschaftlicher Sicht alles richtig machen: Sie lösen ihr Problem selbst statt über Staatshilfen und entlasten dadurch die Steuerzahler. Dafür werden sie bestraft.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Lücke gegenüber Finanztip bestätigt.
Paradox: Teurer Tarif bringt Vorteile für Verbraucher
Haushalte, die zum März von einem günstigen in einen teuren Tarif wechselten, bekommen die Gaspreisbremse hingegen auch für Januar und Februar ausgezahlt. Auch das liegt am Gesetz.
- Die Gaspreisbremse schreibt vor, die zum 1. März ermittelte Entlastung anteilig auch für Januar und Februar zu überweisen.
- Wer zum März in einen teuren Vertrag wechselt, wird also entlastet, obwohl er im Januar und Februar weniger zahlte.
- Laut Finanztip stellt die Regel Haushalte, die in teure Verträge wechselten, um durchschnittlich 500 Euro besser als Sparfüchse, die in günstige Tarife wechselten.
Wichtig: Wer nun in einen günstigeren Vertrag wechselt, spart und erhält die Preisbremse für Januar sowie Februar. Die Gesetzeslücke benachteiligt diejenigen, die zum falschen Zeitpunkt wechselten. Sie liefert aber keinen Grund, weiter in teuren Verträgen zu bleiben.
Es bleiben offene Fragen
Die nun bekannt gewordene Gesetzeslücke wirft Fragen auf:
- Kann das Wirtschaftsministerium die Gesetzeslücke nachträglich schließen, um alle Verbraucher um den Betrag zu entlasten, der ihnen zusteht?
- Was sollen Haushalte tun, die derzeit durch das Raster fallen?
- Was ist mit Haushalten, die zwar in einen günstigeren Tarif wechselten, aber weiter mehr als zwölf Cent pro Kilowattstunde zahlen? Wird ihre Erstattung für Januar und Februar nach dem neuen Tarif berechnet oder bekommen sie die volle Höhe der Entlastung, die ihnen für Januar und Februar zusteht?
- Was ist mit Haushalten, die im Januar zu einem günstigeren Anbieter wechselten?
- Was ist mit Haushalten, deren Gasanbieter den Preis pro Kilowattstunde zum 1. März gesenkt hat? Erhalten sie für Januar und Februar die Preisbremse nach dem vergünstigten Tarif oder nach dem teureren? Was ist, wenn der Gasanbieter seinen Preis unter zwölf Cent pro Kilowattstunde gesenkt hat? Entfällt dann die Berechtigung für diese Haushalte?
- Wie viele Haushalte betrifft die Gesetzeslücke?
FOCUS online hat beim Ministerium diese Fragen eingereicht. Mit Verweis auf die geringen Kapazitäten am Wochenende schickte die Behörde nur einige Antworten zu Fristen. Weitere Details erwartet FOCUS online spätestens Montag. Wir werden sie hier berichten.
Hier die bisherigen Antworten des Ministeriums:
Bei einer vertraglichen Abschlagszahlung oder Vorauszahlung für den Monat März 2023 kann die Berücksichtigung der Entlastungen für den Monat Januar oder Februar 2023 dadurch erfolgen, dass der Erdgaslieferant
unter anderem:
- die auf den Monat Januar oder Februar 2023 entfallenden Entlastungsbeträge mit bestehenden Forderungen aus seinem Vertragsverhältnis mit dem Letztverbraucher verrechnet,
- dem Letztverbraucher eine von diesem für den Monat Januar oder Februar 2023 erbrachte Abschlagszahlung oder Vorauszahlung unverzüglich zurücküberweist und eine Differenz zwischen erbrachter Abschlagszahlung oder Vorauszahlung sowie dem Entlastungsbetrag in der nächsten Rechnung ausgleicht,
- einen vertraglich vorgesehenen Zahlungsvorgang für den Monat Januar oder Februar 2023 nicht auslöst und eine Differenz zwischen ausgesetzter Abschlags- oder Vorauszahlung sowie dem Entlastungsbetrag in der nächsten ausgleicht oder
- eine vom Letztverbraucher selbst veranlasste Zahlung im Zuge der nächsten Rechnung verrechnet.
Ist vertraglich keine Abschlagszahlung oder Vorauszahlung vereinbart, ist der auf den Monat Januar oder Februar 2023 entfallende Entlastungsbetrag mit der nächsten Rechnung auszugleichen.
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