Denn bei einem enteilenden Verbraucherpreisindex (VPI) mit Steigerungsraten zwischen sieben und neun Prozent sind die finanziellen Auswirkungen für Millionen von Menschen dramatisch – sowohl im privaten als auch im gewerblichen Mietbereich.
Für RA Christian Steinpichler von der Wirtschaftsrechtskanzlei Steinpichler Rechtsanwälte, die sich unter anderem auf den gewerblichen Mietmarkt spezialisiert hat, ist die volkswirtschaftliche Relevanz unbestritten: „Gerade im gewerblichen Bereich gibt es in Zeiten hoher Inflation keinen Gleichlauf zwischen der Entwicklung des Verbraucherpreisindex (VPI) und der Entwicklung der Kosten im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung von gewerblichen Immobilien.“ Die Folgen sind aus seiner Sicht fatal: „Ein explodierender VPI beschert derzeit nicht selten ausländischen institutionellen Immobiliengesellschaften hohe Übergewinne auf Kosten der heimischen gewerblichen Mieter.“
Inflation explodiert wegen der Multi-Krise
Steinpichler räumt auch ein, dass es einige Jahre gab, in denen der Verbraucherpreisindex weniger stark gestiegen ist als die Immobilienpreise und -mieten. „Gerade die Metropolregion München hat sich zeitweise von der bundesweiten Marktentwicklung abgekoppelt. In den meisten Fällen spiegelte sich der Preisanstieg jedoch fair und marktgerecht in den indexierten Gewerbemieten wider. Diese Äquivalenz gerät nun aus den Fugen.“ Die aktuelle Mehrfachkrise aus Krieg, Post-Pandemie und Störungen der multilateralen Handels- und Lieferketten lasse die Inflation vor allem im Konsumbereich explodieren. „Die strikte Koppelung der Mietpreisanpassungen an den Verbraucherpreisindex führt nun zu einer asymmetrischen Gewinnverteilung auf Seiten der Vermieter und zu unvorhersehbaren Kostenexplosionen auf Seiten der Mieter.“
Es gehe nicht darum, die Indexmiete durch einen Eingriff in die Vertrags- und Marktfreiheit abzuschaffen, stellt RA Steinpichler klar. Vielmehr gehe es darum, in Zeiten eines krisenbedingt explodierenden VPI ein erhebliches Missverhältnis zwischen tatsächlichen Kostensteigerungen und tatsächlichen, indexbedingten Mietzinserhöhungen sinnvoll und fair zu begrenzen. Die Kernfrage lautet daher für Steinpichler: „Wie können Preisanpassungsklauseln in Krisenzeiten (Krieg, Inflation, Pandemie etc.) so angepasst werden, dass sie die tatsächlichen Kostensteigerungen widerspiegeln und nicht nur zu astronomischen Übergewinnen auf Vermieterseite führen?
Gutachten zum Thema Wertsicherungs- und Indexklauseln
Ein von der Hospitality- Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) in Auftrag gegebenes Gutachten zum Thema Wertsicherungs- und Indexklauseln in gewerblichen Mietverträgen hat hierzu erste Lösungsvorschläge vorgelegt:
- Gesetzliche Beschränkung der jährlichen Indexmieterhöhung auf maximal vier Prozent der Vorjahresnettokaltmiete (durch Änderung des §3a Preisklauselgesetzes);
- Steuerrechtliche Anreize zum Verzicht oder zur Begrenzung von Indexmietanpassungen durch Förderung individueller Vergleichslösungen zwischen den Mietparteien;
- Steuerliche Erleichterungen für gewerbliche Mieter durch Anrechnung der gewerblichen Mieten bei der Berechnung der Gewerbesteuer;
- Schaffung eines neuen und transparenten Index für Gewerbemieten sowie Abkehr vom Verbraucherpreisindex als Leitindex für Gewerbemieten und
- Erleichterte Überprüfbarkeit unwirksamer Preisanpassungsklauseln durch die Zivilgerichte
Diese Lösungsvorschläge wurden von der Denkfabrik DZG auch dem Wirtschaftsministerium zur Verfügung gestellt. Dort werden die Vorschläge unter Einbeziehung der Fachgremien geprüft. Eine Neujustierung des Preisklauselrechts sowie der Indexmieten wird in der Politik bereits seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. Angesichts der aktuellen Verwerfungen gewinnt diese Diskussion erheblich an Aktualität und Relevanz, betont Steinpichler.
Die faire Verteilung von inflationsbedingten Kosten zwischen zwei Marktteilnehmern (z.B. Miet- oder Pachtvertragsparteien) liege auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Die Nivellierung extremer Preissprünge verhindere nicht nur einseitige Übergewinne eines wirtschaftlichen „Krisengewinners“ auf Kosten eines darbenden „Krisenverlierers“. Die Abmilderung irrealer Preisschwankungen dämpfe auch Sekundäreffekte wie die so genannte Lohn-Preis-Spirale.
Gewerbliche Mieter wären z.B. nicht gezwungen, ihre Mieten aufgrund der hohen Indexsteigerungen selbst zu erhöhen, was wiederum die Inflation anheizen würde. Gleichzeitig begrenzen moderat steigende Mieten den Anstieg der Immobilienpreise, die maßgeblich von der erzielbaren Miete oder Pacht abhängen. Dies wiederum würde die Gefahr des Platzens einer Immobilienblase verringern. Kurzum: eine makroökonomische Win-Win-Strategie aus Sicht der Denkfabrik und von Steinpichler.
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