Minus 6,3 Prozent: Immobilienpreise sinken in Deutschland schneller als anderswo in Europa
Steigende Zinsen treffen in Deutschland auf teure Immobilien und erzwingen die Markt-Kehrtwende: In keinem großen EU-Land sinken die Preise für Wohnungen und Häuser schneller als in Deutschland. Für Käufer ist das Fluch wie Segen.
Die Immobilienpreise sind unter dem Eindruck stark gestiegener Leitzinsen seit vergangenem Sommer deutlich gesunken. Zu diesem Ergebnis kommt der AVIV Housing Report für das zweite Quartal 2023. Demnach liegen die durchschnittlichen Preise für Häuser in Deutschland rund fünf Prozent unter dem Höhepunkt vom Mai 2022, bei Eigentumswohnungen sind es sogar sieben Prozent weniger. Im Schnitt ergibt das ein Minus von rund sechs Prozent – und der Trend zeigt weiter nach unten. Allein im ersten Halbjahr 2023 ging es um 1,2 Prozent abwärts.
Die 14 größten Städte des Landes spiegeln diese Entwicklung im Durchschnitt wider, unterscheiden sich aber im Detail. So sanken die Preise seit Januar am stärksten in Hannover (-2,3 Prozent), Essen (-2,2 Prozent) und Dortmund (-2,1 Prozent). In Nürnberg (+1,8 Prozent), Leipzig (+1,5 Prozent) und Hamburg (+1,4 Prozent) stiegen die Preise. Auch in München hat sich die Preiskurve gedreht. In allen Städten liegen die Preise bis jetzt aber noch niedriger als im Mai 2022.
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Immobilienpreise in Deutschland sinken am stärksten
Der deutsche Immobilienmarkt bildet den Ausreißer in Europa. Von sieben Ländern, die der AVIV-Report untersucht hat, meldet nur Luxemburg mit minus 0,7 Prozent ebenfalls sinkende Preise. Während die Kosten in Frankreich (+0,4 Prozent) in etwa gleichblieben, ging es in Italien (+2,0 Prozent) und Belgien (+3,5 Prozent) moderat, in Portugal (+6,4 Prozent) und Spanien (+7,2 Prozent) rasant gegenüber dem Vorjahr nach oben.
Dass die Preise in Deutschland viel stärker sinken als in anderen Staaten, hat zwei Gründe. Der eine ist, dass die Immobilienpreise hier in den Jahren der niedrigen Zinsen stark stiegen. Von 2017 bis 2022 verbuchte Deutschland den dritthöchsten Preisanstieg der sieben untersuchten Länder. In der Spitze kletterten die durchschnittlichen Haus- und Wohnungspreise um 72 Prozent. Das entspricht rund elf Prozent pro Jahr. Stärker ging es nur in Luxemburg – wo die Preise jetzt ebenfalls fallen – und Portugal nach oben. Alle anderen Länder rangieren weit hinter uns, in Italien stagnierten die Preise sogar.
Der zweite Grund ist, dass die steigenden Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) auch die Zinsen für Immobilienkredite nach oben zogen. AVIV geht für April 2023 von einem durchschnittlichen Zinssatz von 3,9 Prozent für Hauskäufer aus. Anfang 2022 waren es noch 1,2 Prozent.
Dieser Anstieg betrifft Form zwar alle untersuchten Länder. Treffen hohe Zinsen aber auf hohe Preise, wie in Deutschland, schmälert das den Käuferkreis deutlicher als in Ländern mit günstigeren Immobilienmärkten. Dadurch sinken die Preise hier stärker.
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Immobiliennachfrage in Deutschland bricht ein
In Deutschland sank das Volumen der Immobilienkredite durch die Zinserhöhungen von Januar bis April diesen Jahres um rund 50 Prozent. Zudem wurden 33 Prozent weniger neue Kredite abgeschlossen als im Vorjahreszeitraum. Andere Länder erlebten diesen Einbruch nicht in diesem Maße. Belgien kommt der Bundesrepublik mit minus 40 beziehungsweise minus 25 Prozent noch am nächsten. In Luxemburg sank zwar das Kreditvolumen um 44 Prozent, die Ausgabe neuer Kredit aber nur um rund 20 Prozent.
Das zeigt, dass die Nachfrage nach Häusern und Eigentumswohnungen in Deutschland einbrach. Menschen können oder wollen sich angesichts hoher Preise und Finanzierungskosten keine Immobilien mehr leisten. Weniger Nachfrage bedeutet sinkende Preise.
Dieser Trend dürfte bald enden. Laut AVIV, zu dem in Deutschland die Portale Immowelt und Immoscout gehören, stabilisieren sich die Preise bereits. „Die Abwärtsdynamik der Immobilienpreise hat merklich nachgelassen“, urteilt auch der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), der die wichtigsten Immobilienfinanzierer Deutschlands vertritt.
Für die weiteren Jahre sieht es aus Käufersicht noch schlimmer aus. Bei einer Umfrage des Ifo-Institutes rechneten Ökonomen zuletzt mit durchschnittlichen Preisanstiegen von 7,2 Prozent pro Jahr für Deutschland in den kommenden Jahren. Der Wert ist allerdings nicht inflationsbereinigt, dürfte real also etwa niedriger ausfallen.
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