Die aktuellen Bauzinsen schrecken viele Bauwillige ab, den Traum vom Eigenheim anzugehen. Viele warten auf den richtigen Moment und wollen sich nicht bis ins hohe Alter verschulden. Warum eigentlich nicht, fragt Finanz- und Immobilienexperte Max Herbst. Ein Blick auf die Zinsentwicklung und den richtigen Weg beim Immobilienkauf.
Die guten alten Zeiten der Baufinanzierung sind vorbei. Die Zinsen sind gestiegen, von einem Prozent können Häuslebauer nur noch träumen. Für die Zukunft prognostiziert Max Herbst, Gründer der FMH-Finanzberatung, einen Anstieg auf fünf Prozent. Wie es dazu kommen kann und warum das eigentlich gar nicht so schlimm ist, erklärt der Experte im Interview mit FOCUS online.
Spannend, aber gerade keine Zeit?
FOCUS online: Herr Herbst, wenn Sie jetzt einen Hauskäufer oder einen potenziellen Interessenten betrachten, was hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre getan?
Max Herbst: Die Situation hat sich dramatisch verändert. Aber ich mag diesen Pessimismus nicht, ich bin eher optimistisch. Die Leute sagen, sie können nicht mehr bauen, sie können nichts mehr kaufen, sie können nichts mehr tun. Aber ich sehe das Problem: Die Leute sind Anfang letzten Jahres mit der Vorstellung von ein bis zwei Prozent Kreditzinsen auf den Immobilienmarkt gegangen. Und bis sie etwas gefunden haben, hat das sechs bis neun Monate gedauert. In dieser Zeit haben sich die Zinsen aber verdoppelt und verdreifacht. Die haben dann gesagt: „Das kann ich mir nicht mehr leisten, das ist unverschämt, das geht gar nicht“. Ihre Vorstellung war: 1,5 Prozent Zinsen und eine Rate von etwa 900 Euro. Aber plötzlich ging das nicht mehr, weil die Rate nun bei etwa 1500 Euro liegt.
Und die Verkäufer?
Herbst: Die haben gleichzeitig gemerkt, dass der Markt zusammenbricht. Sie haben versucht, möglichst viele Immobilien, die noch rumstanden, noch schneller auf den Markt zu bringen. Das hat das Angebot schlagartig erhöht. Die wollten ihre Hütten noch verkaufen. Und das zu einem extrem hohen Preis.
Das heißt, die einen sind verschwunden und die anderen haben das Angebot vergrößert. Dadurch gab es ein Überangebot auf dem Markt. Das drückt jetzt natürlich wieder ein bisschen auf die Preise, was auch ganz gut ist.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.interhyp.de zu laden.
Der Markt ist also in Bewegung und hat zuletzt einen guten Weg genommen?
Herbst: Jetzt kommen plötzlich wieder Leute, die anfangen, Wohnungen zu suchen oder wieder kaufen wollen. Sie gehen wieder in den Markt. Sie träumen aber nicht mehr von ein oder zwei Prozent, sondern müssen mit drei oder vier Prozent rechnen. Auch die früheren drei Prozent Tilgung sind Geschichte. Heute arbeitet man wieder mit einem Prozent Tilgung. Wir haben also zusammen drei bis vier Prozent Zinsen plus ein Prozent Tilgung. Dann habe ich am Ende wieder etwa vier Prozent Annuität. Also von der Belastungsseite hat sich hier nicht viel getan.
Was sich verändert hat, sind die Gesamtkosten, wie zum Beispiel eine lange Finanzierungsdauer. Bei einem Prozent Tilgung brauche ich 40 Jahre und früher bei drei Prozent Tilgung waren es 27 oder 28 Jahre. Also die Gesamtkosten sind extrem hoch geworden, das stimmt. Ein Kredit über 300.000 Euro verteuert sich im Gesamten um 215.000 Euro, wenn man einmal 1,5 Prozent und einmal 3,5 Prozent Zinsen unterstellt (gleiche Zinsen bis zum Ende) und einmal drei und einmal ein Prozent tilgt. Die Rate ist immer 1.250 Euro. Aber die Aussage „Das kann ich mir nicht mehr leisten“ stimmt so nicht.
Sondern?
Herbst: Viele sind nur nicht bereit, auf den Urlaub zu verzichten, auf das tolle Auto oder auf Streamingabos wie Netflix, Sky und dergleichen. Leute haben heute so viele Ausgaben, die sie nicht unbedingt zum Leben brauchen. Früher, ich bin seit 1986 auf dem Immobilienmarkt, da wurde gespart, da wurde der Urlaub gestrichen, da wurde das Auto gefahren, bis es kaputt war. Und wenn man heute sagt, der Hauskauf muss so nebenbei laufen, das Leben ist viel wichtiger, das ist auch in Ordnung und nichts Schlimmes. Aber unterm Strich wird es dann einfach schwieriger.
Multimedia-Special: „Gau am Bau“
Die Baubranche steht derzeit unter Druck: Stark gestiegene Materialpreise und höhere Zinsen haben das Bauen in Deutschland in den vergangenen Monaten unattraktiv gemacht. Gleichzeitig wird vor allem in den Städten mehr Wohnraum benötigt. Der Wohnungsmangel ist akuter denn je. In unserem Multimedia-Special „Gau am Bau“ beschäftigen wir uns mit dem Bau-Dilemma, gehen den drängendsten Fragen nach und zeigen Lösungen auf.
Wenn jetzt die Zinsen deutlich gestiegen sind und die Kaufpreise wieder etwas sinken, sind wir dann langsam in einem Bereich, wo sich das nivelliert? Ist der Markt jetzt ausgetrocknet, weil Käufer und Verkäufer noch um den richtigen Preis ringen?
Herbst: Ich glaube, dass es für den Käufer eine ideale Phase ist. Er kann sich die Zeit nehmen, die Objekte anzuschauen, zu verhandeln und zu überlegen: „Soll ich, soll ich nicht“. Er kann sich überlegen, wo er noch investieren will: Fenster, Heizung, muss die Wärmepumpe noch rein, alles Mögliche. Der Käufer merkt, er muss sich jetzt nicht beeilen. Am Ende macht der das Geschäft, der genau plant, weil er den Preis drückt und richtig kalkuliert. Und ob jetzt die Zinsen 0,2 Prozent höher oder niedriger sind, das hat mit dem Finanzierungseffekt nichts zu tun.
Wenn ich jetzt ein Haus habe, wo eine energetische Sanierung ansteht oder in absehbarer Zeit eine neue Heizung eingebaut werden muss: Treibt das den Preis massiv in die Höhe, weil man derzeit schwer an Handwerker herankommt und weil etwa Wärmepumpen sehr hohe Kosten verursachen können?
Herbst: Das ist genau der Punkt. Es kommen sehr viele Objekte auf den Markt, wo in den letzten Jahren nichts gemacht wurde. Jetzt geben viele diese Objekte ab, um diese Kosten zu umgehen. Jetzt muss der Käufer das übernehmen, da kommt er nicht drum herum. Und er kalkuliert das möglichst, bevor er ein Haus kauft. Durch das Überangebot, die Sanierungsvorgaben und das Wissen der Käufer, dass die Leute nicht mehr Schlange stehen, wird letztlich der Preis etwas gedrückt.
Aber es ist so: Der Preis geht nicht so weit runter, wie sich das manche vielleicht erhoffen, weil wir in Deutschland einfach zu wenig Wohnungen haben. Der Wohnungsdruck ist zu groß. Wenn heute jemand eine Wohnung sucht, weil er zum Beispiel eine kleine Familie hat, dann ist er ein armes Schwein. Zum einen bekommt er einfach nichts und muss noch weiter raus. Und selbst wenn er noch weiter rausgeht, muss er noch mehr bezahlen als vorher. Der Druck auf die Leute, Immobilien zu kaufen, ist also immer noch groß, weil es keine Mietwohnungen gibt.
Wenn wir zehn Jahre zurückblicken, dann waren die Zinsen im Schnitt etwa einen Prozentpunkt niedriger als heute. Sehen Sie bei einer Refinanzierung jetzt die Gefahr, dass es einige überfordern könnte? Und in der Folge auch das Angebot an Immobilien steigt, weil viele vielleicht sagen, sie können sich die neue Zinslast nicht mehr stemmen?
Herbst: Das ist heute eher ein Problem des Kreditnehmers als des Bankers, ja. Aber ein ING-Kunde, behaupte ich mal, hat garantiert keine Probleme mit der Anschlussfinanzierung, oder auch ein Postbank-Kunde. Diese Banken haben sehr darauf geachtet, dass der Kunde zwei oder drei Prozent Tilgung macht. Wenn er aber nur ein Prozent tilgen wollte, musste er nachweisen, dass er eine Annuität von fünf Prozent hätte zahlen können. Ein Prozent Zinsen und ein Prozent Tilgung hat die Bank also nur finanziert, wenn fünf Prozent beim Kunden möglich gewesen wären. Und Kunden, die sich das damals hätten leisten können, haben auch heute keine Probleme, die höhere Rate allein vom Einkommen her zu tragen. Bei vielen regionalen Banken sieht das anders aus, die haben Kredite beinahe jedem hinterhergeworfen. Und jene, die sich fünf Prozent damals nicht hätten leisten können, kommen nun in Schwierigkeiten.
Im Moment ist das Ziel, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, gar nicht zu erreichen. Jetzt kommen auch Anbieter wie Vonovia und sagen, das sei für sie nicht mehr planbar und sie machen dieses Jahr gar nichts mehr im Neubau. Wie bewerten Sie das?
Herbst: Es istein großes Problem, dass die normalen Bürger, vielleicht auch die Mittelschicht, kein oder zu wenig Eigenkapital haben. Die haben oft auch keine reichen Eltern, aber verdienen ganz gut. Aber der Banker sagt dann, er ist nicht bereit, eine 90 oder 100-Prozent-Finanzierung zu machen. Der Normalbürger kommt da nicht mehr mit und bekommt keine Wohnung finanziert oder muss so hohe Raten bezahlen, dass am Ende die Miete von 2500 Euro, die man in Ballungsräumen für eine 120-Quadratmeter-Wohnung bezahlen muss, billiger ist. Das ist das Verrückte. Solange der Staat nicht in der Lage ist, in welcher Form auch immer, Wohnungen zu bauen und zu genehmigen, sondern das mit immer neuen Vorgaben und Vorlagen noch erschwert, wird das nichts. Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten, die Sache anzukurbeln.
Welche denn?
Herbst: Es wäre schon mal ein Anfang, wenn der Staat, das Land oder die Kommune sagt, sie übernimmt die gesamten Kaufnebenkosten – damit kein Run entsteht, müsste das Programm mindestens auch fünf oder zehn Jahre ausgelegt sein. Oder die Maklergebühren werden auf zwei Prozent gesenkt. Denn recht viel mehr Dienstleistung sehe ich nicht bei den Maklern. Also diese Kosten werden zum Beispiel auf zwei Prozent gedeckelt und die Notarkosten oder die Grundbuchkosten werden übernommen. Insgesamt sind dann bei einem Kaufpreis von 500.000 Euro schnell 30.000 bis 40.000 Euro gespart. Und dies entlastet die Finanzierung enorm und sofort. Dann können die Banken auch 100-Prozent-Finanzierungen ausschließen.
Es ist allen geholfen: Der Kunde hat sofort einen Vorteil, ungeachtet vom Einkommen, die Bank hat weniger Risiko, es wird der Erwerb von Immobilien angekurbelt, nur der Staat hat weniger Einnahmen in Form von Grunderwerbsteuer und Grundbuchgebühren, aber mit Sicherheit weniger Altersarmut. Das Ersparte, auf das die Leute stolz sind, fließt so wirklich in den Bau. Und die Rate ist gar nicht das Problem, die können die Leute tragen. Die lassen sie dann 40 Jahre laufen. Das Dumme ist nur, dass viele glauben, sie müssten im Pensionsalter schuldenfrei sein. Warum denn? Der Mieter muss ja auch Miete zahlen.
✓ Auf einen Blick verstehen, was wichtig ist
✓ Komplexe Sachverhalte einfach verständlich visualisiert
E-Mail zusendet. Außerdem erlaube ich der BurdaForward GmbH die Nutzung des Newsletters zu analysieren sowie zur Personalisierung ihrer Inhalte und Angebote zu verwenden. Meine Einwilligung ist jederzeit widerrufbar. Weitere Informationen kann ich
hier abrufen.
Eigentlich sagt man ja: In dem Moment, wo man in Rente geht, hat man weniger Geld als vorher als Arbeitnehmer. Sie sagen: Wenn man umschuldet und eigentlich nur noch die Zinsen bedient und gar nicht mehr tilgen muss, weil eine teils entschuldete Immobilie der Bank als Sicherheit dient, dann ist das auch eine Möglichkeit. Das ist ein interessanter Ansatz.
Herbst: Genau. Da muss man keine großen Modelle aufstellen. Wenn zum Beispiel das eigene Haus noch zu 30 Prozent finanziert ist, dann zahle ich im Rentenalter nur noch Zinsen, sonst nichts. Ein Beispiel: Eine Familie (beide 42 Jahre alt) kaufen ein Objekt für 450.000 Euro. Sie brauchen einen 400.000 Euro Kredit zu einem Zinssatz von 4,25 Prozent und ein Prozent Tilgung, 20 Jahre fest. Das kostet monatlich rund 1750 Euro. Unterstellen wir, dass die Immobilie in 25 Jahren, zum Eintritt ins Rentenalter, einen Wert von 700.000 Euro (jährliche Wertsteigerung von 2 Prozent) hat. Die Restschuld ist dann noch bei 220.000 Euro. Unterstellen wir, dass die Familie nur Zinsen bezahlen will und den Erben kein schuldenfreies Haus überlassen wollen, dann sinkt die Rate (unterstellt 4,25 Prozent Zinsen) auf 780 Euro. Und wenn dies immer noch zu viel sein sollte, dann verkaufe ich halt die Hütte.
Wie werden sich die Bauzinsen in diesem und 2024 entwickeln? Und was machen die Notenbanken?
Herbst: Derzeit wird viel über die Bankenkrise gesprochen und darüber, dass die Leitzinsen nicht entsprechend angehoben werden können, ohne dass die Banken noch mehr Probleme bekommen würden. Aber die Inflationsbekämpfung ist und bleibt das große Thema. Und ich glaube, wir werden nicht umhinkommen, die Leitzinsen weiter nach oben zu ziehen. Daher dürften wir noch in diesem Jahr bei fünf Prozent landen. Wir sind jetzt schon bei etwa vier Prozent. Und ich glaube auch, dass wir bei den Hypothekenzinsen nicht mehr unter drei Prozent fallen werden. Die Zeiten von ein und zwei Prozent waren super Zeiten, aber die wird es in der Form nicht mehr geben. Das war eine Ausnahmezeit. Drei bis vier Prozent sind normal und das ist auch eine super Finanzierung.
Gibt es eine Obergrenze, wo Sie sagen: Wenn die Zentralbanken so weit gehen und so extrem erhöhen, dann wird es auch schwierig für die Häuslebauer oder für den Markt an sich? Also dann würde ein Immobiliencrash drohen?
Herbst: Wenn die EZB weiter an der Zinsschraube dreht, ist die Inflationsrate früher oder später unter Kontrolle. Wir müssen nur aufpassen, dass wir keine Lohn-Preis-Spirale bekommen. Und der Markt hängt auch stark von Amerika ab. Dort sind nächstes Jahr Wahlen und dann geht das Thema sowieso wieder von vorne los und alles schaut vielleicht auf die Republikaner. Also es ist so viel Unsicherheit da, was passieren kann. Einen Immobiliencrash sehe ich in Deutschland aber dennoch nicht kommen.
Letztendlich ist es doch aber so: Die Nachfrage nach Immobilien ist da. Die Leute suchen was, die Leute brauchen was. Viele sind auch bereit, dafür etwas auszugeben. Und das Umdenken wird auch stattfinden, dass die Leute, wenn sie eine Wohnung oder Haus haben wollen, auf einen gewissen Konsum verzichten müssen, um die Wohnung zu haben, die sie sich leisten wollen.
Aber auf der anderen Seite gibt es auch immer mehr junge Leute, die gar keinen Drang haben Immobilienbesitz zu erwerben. Und wer mal intensiv verschiedene Modelle und Entwicklungen durchrechnen will, sollte auf „Mieten oder kaufen“ von der FMH gehen.
tsa
Zum Autor
#Immobilien #finanzieren #Aachen