Kaum jemand kennt die Behörde, welche die Deutschen bei der Wärmewende unterstützen soll. Ob bei Wärmepumpen, neuen Fenstern oder Dämmung: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) vergibt unter anderem die Bundesförderungen für effiziente Gebäude (BEG). Wer sein Haus fit fürs klimafreundliche Heizen machen und dabei von den Förderprogrammen des Bundes profitieren möchte, muss sich ans Bafa wenden.
Blockierte Hotlines, Bescheide per Post: Behörde steckt im Bürokratie-Chaos
Allein im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Anträge bei der Behörde mehr als verdoppelt: Gingen im Jahr 2021 noch 330.000 Förderanträge ein, waren es im vergangenen Jahr 780.000. Energieberater berichten von blockierten Hotlines und einem Amt, das seine Zustellungsbescheide noch per Post verschickt.
Auf das Antrags-Chaos beim Bafa angesprochen, muss Stefan Bolln lachen. Der 53-jährige vertritt seit Mai als Bundesvorsitzender die Interessen der Energieberater im Bundesverband GIH. Im Interview mit FOCUS online erklärt der Handwerksmeister, wie Sie möglichst schnell an die Fördergelder kommen und was Sie bei der Suche nach dem richtigen Energieberater beachten sollten.
FOCUS online: Herr Bolln, Deutschland ringt beinhart um die Wärmewende. Als Energieberater sind Sie ein gefragter Mann, oder?
Stefan Bolln: Ich muss schmunzeln, wenn mich jemand anruft und fragt, ob ich gleich morgen helfen könne. Das war mal so. Aktuell aber nicht mehr. Die Nachfrage nach Energieberatern ist groß. Hinzu kommt: Wir müssen mehr planen, mehr Vorgaben beachten. Die Heizlastberechnungen sind nicht ohne Aufwand und auch das Erstellen eines Sanierungsfahrplans dauert etwas.
Sie besprechen mit dem Eigentümer Maßnahmen und weisen auf Förderungen hin. Häufig kümmern sich die Energieberater auch gleich um die Antragsstellung für Fördermittel beim Bafa. Wer den Presseberichten der vergangenen Wochen glaubt, muss denken, nichts geht mehr bei dieser Behörde.
Bolln: Von der Antragsstellung bis zum Genehmigungsbescheid dauert es aktuell tatsächlich nur eine Woche. Bis zur Auszahlung der Fördermittel nach Einreichen der Verwendungsnachweise dauert es zurzeit fünf Wochen.
Klingt schnell.
Bolln: Aber nur, wenn alle Dokumente strukturiert vorliegen und ordnungsgemäß eingereicht wurden. Sobald es Nachfragen gibt, dauert es deutlich länger. Vielfach scheitert es einfach an korrekt geschriebenen Rechnungen. Aber auch manche fachliche Nachfrage verlängert das Prozedere. Oft wird nachgefragt, obwohl es bereits von einem zugelassenen Energieberater geprüft wurde. Muss nicht immer sein. Auch im Bereich der Verbesserung der digitalen Abläufe ist noch Luft nach oben.
Stefan Bolln (53) ist Bundesvorsitzender und Sprecher des Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker Bundesverband e.V. (GIH), welcher die Interessen der Energieberater in Deutschland vertritt. Der Schornsteinfegermeister ist selbst als Energieberater tätig. Bolln saß zuletzt bis 2022 für die SPD im schleswig-holsteinischen Landtag und war bis 2012 ihr energiepolitischer Sprecher.
„Sonst fragt der Prüfer nach und Sie stehen wieder hinten in der Förderschlange“
Ihr Tipp, um schnell ans Fördergeld zu kommen?
Bolln: Begleichen Sie keine pauschalen Rechnungen! Überweisen Sie alles unbar über Ihr Konto und fordern Sie vom Handwerker detaillierte Rechnungen. Ich gebe meinen Kunden mittlerweile einen Leitfaden an die Hand, wie eine korrekt geschriebene Rechnung auszusehen hat. Überprüfen Sie: Ist der Adressat korrekt? Ist das richtige Bauvorhaben genannt? Die Rechnung muss deutschsprachig sein, sonst fragt der Prüfer gleich nach und Sie müssen sich wieder hinten in der Förderschlange anstellen.
Grundsätzlich gilt: Je besser ein Antrag beim Bafa eingegeben wird, desto schneller wird er bearbeitet. Je besser der Energieberater vorstrukturiert hat, umso verständlicher die eingereichten Rechnungen sind, desto schneller werden die Fördergelder ausgezahlt.
Was raten Sie Hausbesitzern, die bereits wissen, dass sie ihre Heizungsanlage erneuern oder Sanierungsmaßnahmen durchführen möchten?
Bolln: Wenn Sie wissen, was Sie an Ihrem Gebäude machen möchten, sollten Sie anfangen zu rechnen. Prüfen Sie die Verfügbarkeit und die Preise von Material und Handwerkern. Wenn Sie noch nicht wissen, wie Sie sanieren möchten, dann sollten Sie sich einen Energieberater suchen und einen Sanierungsfahrplan erstellen lassen. Besprechen Sie konkrete Zeitpläne und Fördermaßnahmen, um eine zielgenaue Entscheidung für Ihre Immobilie zu treffen.
Und wie finde ich einen geschulten Energieberater?
Bolln: Energieberater ist ja kein Lehrberuf. Energieberater sind Sie, weil Sie studiert haben, ein Ingenieurbüro oder einen Handwerksbetrieb leiten. Zertifizierte Energie-Effizienz-Experten lassen sich auf der Webseite der bundeseigenen Deutschen Energieagentur (Dena) finden. Schön wäre es, wenn es ein genaues Berufsbild geben würde.
Wer als Energieberater in unserem GIH Bundesverband Mitglied ist, berät Sie unabhängig von Ihrem Bauvorhaben. Heißt: Keine Ausführung der Sanierungsmaßnahmen durch die eigene Firma. Es lohnt sich aber, wenn Ihr Energieberater auch die Baubegleitung übernimmt – also die Bauausführung mit Expertise beratend unterstützt.
„Jetzt eine Ölheizung zu bekommen, ist schon fast unmöglich“
Wärmepumpen sind so gefragt wie nie, Handwerker und Dämmstoffe schwer zu bekommen. Lohnt es sich, jetzt mit dem Planen anzufangen?
Bolln: Wenn im Sommer die meisten Neubauten fertig sind – und die Neubauanträge gehen in Deutschland zurück – dann wird es auch wieder mehr Handwerker, Wärmepumpen und Dämmmaterialien geben. Unsere Partner in der Industrie bestätigen uns, dass die Kapazitäten da sind. Wenn Sie allerdings weiterhin fossil mit Gas oder Öl heizen möchten, dann müssen Sie mit langen Wartezeiten rechnen. Der Trend hat sich vollkommen gedreht. Versuchen Sie jetzt mal, eine Ölheizung zu bekommen! Das ist schon fast unmöglich.
Also schnell eine Wärmepumpe bestellen?
Bolln: Nein, nichts überstürzt angehen! Vor dem Heizungstausch rate ich dem Eigentümer zu überprüfen, ob seine Gemeinde oder sein städtisches Umfeld den Bau von Fernwärme- oder Nahwärmenetzen plant. Wenn nein, dann gerne eine Wärmepumpe. Auch in 20 Jahren werden noch mehr als 50 Prozent der Häuser individuell beheizt. Und ein flächendeckendes Wasserstoffnetz wird es nicht geben.
Aber welche Gebäude an die Wärmenetze angeschlossen werden und welche nicht, entscheiden die Kommunen. Wir brauchen hier schnell kommunale Ehrlichkeit und Realismus.
„In 20 Jahren wird man sich über die endlosen Diskussionen von heute wundern“
Mit der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes soll die Förderung für den Einbau einer klimafreundlichen Heizung bei 30.000 Euro der förderfähigen Kosten gedeckelt werden. Bislang liegt der Deckel bei 60.000 Euro. Besonders energieeffiziente Geräte wie Erdwärmepumpen oder Grundwasser-Wärmepumpen kosten bereits heute mehr als 30.000 Euro. Fördern wir die falsche Technik?
Bolln: Es ist richtig, die Technik zu fördern, welche die größte Lenkungswirkung hat. Die günstigere Luft-Wasser-Wärmepumpe ist wie der VW unter den Wärmepumpen: Läuft und läuft – und wenn man zu stark Gas gibt, dann quietscht es auch mal. Ihre Feststellung ist richtig: Es wird Förderverlierer geben. Es wird darum gehen, die Anzahl so gering wie möglich zu halten.
Ich bin mir sicher, dass die Luft-Wasser-Wärmepumpe in Zukunft die neue Gasheizung werden wird. In 20 Jahren wird man sich über die endlosen Diskussionen von heute wundern.
Ihr Wunsch an die Politik?
Bolln: Wenn im nächsten Jahr auch die Vorgaben zur Gebäudehülle im Gesetz beschlossen sind, wünsche ich mir für die nächsten zehn Jahre Ruhe. Wir müssen jetzt die politischen Diskussionen aushalten, um das Bauen der Zukunft in den nächsten Jahrzehnten in Ruhe angehen zu können.
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