Verhandlungsmarathon bei der Bahn geht weiter
Sonntag, 18. Juni, 12.22 Uhr: Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn stehen weitere Verhandlungen an – ein genauer Zeitplan ist bislang aber nicht bekannt. Am Freitag hatten die Vertreter der DB und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG auch am fünften Verhandlungstag in Folge keinen Abschluss erzielen können. Sie vertagten die weiteren Gespräche auf die folgende Woche. Die EVG will zunächst ihre Entscheidungsgremien über den Verhandlungsstand informieren. Genaue Daten für diese internen Beratungen und die nächste Verhandlungsrunde wurden zunächst nicht bekanntgegeben.
„Wir haben intensiv verhandelt und zu vielen Themen eine Verständigung erreicht“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler. EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch sagte: „Wir haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Kompromisslinien erarbeitet und wollen diese nun mit den zuständigen Entscheidergremien ausführlich diskutieren.“
Die EVG will für gut 180 000 Beschäftigte bei der Deutschen Bahn (DB) eine Festbetragserhöhung von mindestens 650 Euro pro Monat oder zwölf Prozent mehr bei den oberen Lohngruppen erreichen. Die Laufzeit soll nach ihren Vorstellungen zwölf Monate betragen.
Die Bahn hatte zuletzt bei einer Laufzeit von 24 Monaten zwölf Prozent mehr in mehreren Stufen bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt. Insgesamt zehn Prozent mehr sollen die mittleren Gruppen bekommen und acht Prozent die oberen. Die erste Erhöhungsstufe soll demnach noch dieses Jahr anstehen. Hinzu käme eine Inflationsausgleichsprämie in mehreren Zahlungen von insgesamt 2850 Euro, die steuer- und abgabenfrei ausfällt.
Beide Seiten haben zudem auch weitere, strukturelle Themen mit in die Verhandlungen eingebracht. Die großen Knackpunkte dürften aber die Entgelterhöhungen und die Laufzeit des Tarifvertrags gewesen sein.
Tarifstreit im Einzelhandel spitzt sich zu
Samstag, 17. Juni, 08.00 Uhr: Der Tarifstreit im Einzelhandel spitzt sich zu. Der bayerische Einzelhandel drohte der Gewerkschaft Verdi in einem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wegen der jüngsten Warnstreiks mit Schadenersatzklagen.
„Die Drohung mit Schadenersatzforderungen durch Unternehmen ist natürlich eine Eskalation, aber wir müssen uns auch wehren“, sagte der Geschäftsführer des bayerischen Verbandes Bernd Ohlmann am Freitag. „Es gibt Unternehmen, die schon Millionenschäden haben durch die unserer Ansicht nach rechtswidrigen Warnstreiks.“ Ohlmann zeigte sich überzeugt, dass andere Landesverbände nachziehen werden. Verdi wies die Drohung als substanzlos zurück.
Der Handelsverband Deutschland, der die Tarifverhandlungen für die Arbeitgeber auf Bundesebene koordiniert, betonte, die Warnstreiks seien in den Augen des Handels unzulässig. „Der Streik ist nur ganz ausnahmsweise ein erlaubter Vertragsbruch, wenn es um Forderungen geht, die die Tarifparteien im Wege des Tarifvertrags regeln können.“
Die Arbeitgeberverbände des Einzelhandels seien nach sorgfältiger Prüfung aber zu dem Schluss gekommen, dass die aktuellen Streikmaßnahmen im Einzelhandel diesen Anforderungen nicht genügten. Es gehe nicht an, dass die Gewerkschaft mit Arbeitskampfmaßnahmen gegen ohnehin schon tarifgebundene Unternehmen die gemeinsame Beantragung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifabschlusses erzwingen wolle.
Ohlmann betonte, wenn nur eine Forderung bei einem Warnstreik unzulässig sei, sei der gesamte Warnstreik rechtswidrig und damit drohten Klagen der bestreikten Unternehmen. Um dies zu verhindern, müsse Verdi die Forderungen anpassen.
Der Verhandlungsführer von Verdi in den Tarifgesprächen zum Einzelhandel in Bayern, Hubert Thiermeyer, betonte, das Schreiben habe „keinerlei Substanz, wir werden die Forderungen nicht anpassen.“ In Nordrhein-Westfalen habe es bereits eine Klage zu dem Thema gegeben. „Dort hat das Arbeitsgericht zu unseren Gunsten entschieden.“
Eine Sprecherin des Handelsverbandes NRW erklärte, man teile im bevölkerungsreichsten Bundesland die Rechtsauffassung der bayerischen Kollegen. Dennoch werde man ihrem Schritt erst einmal nicht folgen.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nord, Dierk Böckenholt, stufte die Streiks als „voraussichtlich rechtswidrig“ ein. Ob sie einen Schadenersatz begründeten, hänge aber von weiteren Faktoren ab. Er forderte Verdi auf, sich auf echte Verhandlungen zu konzentrieren. Dazu sei die Gewerkschaft bislang bundesweit nicht bereit gewesen.
Selbst eine zeitnahe Inflationsausgleichsprämie für die Beschäftigten im Einzelhandel lehne Verdi grundsätzlich als Lösungsbestandteil ab, kritisierte Böckenholt. „Sollte sich an der Haltung nichts ändern und Verdi weiterhin nichts zur Ergebnisfindung beitragen, sollten die Unternehmen rechtswidrige Streiks rechtlich unterbinden lassen und sich auch Schadenersatzforderungen vorbehalten.“ Der Handelsverband Nord ist Arbeitgeber-, Tarifträger- und Wirtschaftsverband für alle Handelsunternehmen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Tarifstreit im Einzelhandel: Neue Warnstreiks geplant
Donnerstag, 15. Juni, 9.30 Uhr: Nachdem in den laufenden Tarifverhandlungen für den hessischen Einzelhandel auch die dritte Runde am Mittwoch ohne Ergebnis geblieben ist, hat die Gewerkschaft Verdi weitere Warnstreiks angekündigt. „Wer derart mauert und nichts Neues, sondern bloß Altbekanntes anzubieten hat, der trägt auch die volle Verantwortung für notwendig kommende Streiks. Wie in anderen Bundesländern werden diese die tarifpolitische Richtung der nächsten Wochen bestimmen“, sagte Marcel Schäuble, Landesfachbereichsleiter Handel bei Verdi Hessen, am Donnerstag.
Wo und wann die Arbeitsniederlegungen stattfinden, werde kurzfristig bekannt geben, hieß es bei der Gewerkschaft. Möglicherweise könne es rund um die Tarifverhandlungen in Nordrhein-Westfalen am 5. Juli auch zu Warnstreiks in Hessen kommen. Die Arbeitgeber hielten an ihrem Angebot vom 24. Mai mit möglichen Lohnerhöhungen um 3 plus 2 plus 2,5 Prozent verteilt auf zwei Jahre fest, hieß es. Das wäre aber keine wirkliche finanzielle Entlastung.
Die Gewerkschaft verlangt für die rund 235 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen um 2,50 Euro höheren Stundenlohn. Das entspricht in der am weitesten verbreiteten Ecklohngruppe einer Erhöhung um 14,4 Prozent. Die Auszubildenden sollen monatlich 250 Euro mehr bekommen. Die Verhandlungen sollen am 11. Juli fortgesetzt werden.
Verdi sagt geplanten Warnstreik am Flughafen Hannover ab
Mittwoch, 14. Juni, 18.45 Uhr: Wenige Stunde vor Beginn des geplanten Warnstreiks des Bodenpersonals am Flughafen Hannover hat die Gewerkschaft Verdi die Arbeitsniederlegung abgesagt. Der Arbeitgeber habe ein deutlich verbessertes Angebot vorgelegt, teilte Verdi am Mittwoch mit. Die Gewerkschaft hatte die Beschäftigten des Bodenpersonals aufgerufen, ihre Arbeit von Mittwoch, 19.00 Uhr, bis zum Ablauf des Freitags niederzulegen.
Laut Verdi-Sprecher werden die Parteien in der kommenden Woche wieder verhandeln. Durch die kurzfristige Absage hätten nicht alle vorgesehenen Änderungen im Flugplan rückgängig gemacht werden können, sagte eine Sprecherin des Flughafens Hannover. So werde der Flieger nach Wien am Mittwochabend trotz Absage des Streiks nicht starten. Für Donnerstag seien ihr keine Änderungen bekannt. Sie rate aber allen Passagieren, sich bei ihren Fluggesellschaften nach dem Status ihres Fluges zu erkundigen. Beeinträchtigungen durch die Luftwaffenübung „Air Defender“ gebe es nicht.
Bahn und EVG verhandeln wieder – Erfolgsaussichten unklar
Montag, 12. Juni, 6.48 Uhr: Wer verhandelt, streikt nicht – mit diesem Motto war die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zuletzt im zähen Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn unterwegs. Ab Montag (14.00 Uhr) wird nun wieder verhandelt, fünf Tage sind angesetzt für die nächste Gesprächsrunde über Tariferhöhungen für gut 180 000 Beschäftigte bei der DB. Ob dabei ein Abschluss erzielt werden kann, ist offen – einerseits sind viele kritische Punkte noch offen, andererseits bieten fünf Tage viel Zeit für mögliche Lösungen.
Entsprechend gibt es für die nächsten Tage viele denkbare Szenarien. Sollte die Gewerkschaft das Gefühl bekommen, dass keine Fortschritte erzielt werden, droht der nächste Warnstreik auf der Schiene. Sollten die Verhandlungen sogar als gescheitert eingestuft werden, ist sogar eine Urabstimmung über dann möglicherweise unbefristete Streiks denkbar. Oder gibt es doch am Freitag einen Abschluss?
Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Frage, wie viel Geld die Beschäftigten künftig pro Monat mehr bekommen – und zwar dauerhaft. Die EVG fordert mindestens 650 Euro mehr, bei den oberen Lohngruppen will sie ein Plus von zwölf Prozent erreichen bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.
Viel zu viel, sagen die Vertreter der Bahn. Der Konzern hat bisher angeboten, bei den unteren Einkommen zwölf Prozent, bei den mittleren zehn Prozent und bei den oberen acht Prozent mehr zu zahlen. Die Erhöhung soll in zwei Schritten erfolgen. Außerdem will der Konzern den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 2850 Euro steuer- und abgabenfrei zahlen, als sogenannte Inflationsausgleichsprämie. Viel Geld, das aber nur einmal gezahlt wird und in den Tariftabellen nicht festgeschrieben wird, also bei zukünftigen Verhandlungen die Ausgangslage nicht verbessert. Die Laufzeit des Tarifvertrags sollte nach DB-Ansicht bei 24 Monaten liegen.
Die EVG hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie einen Festbetrag statt einer prozentualen Erhöhung erreichen will. Denn die unteren Einkommensgruppen sollen von der Tarifrunde besonders deutlich profitieren, so der Wunsch der Gewerkschafter. Wer wenig verdient, wurde in den vergangenen Monaten von der Inflation besonders stark getroffen, weil das Geld auch schon ohne die heftigen Preissteigerungen am Monatsende oft knapp war. Vermutlich hofft die Gewerkschaft darüber hinaus auch, dass sich aus diesen Einkommensgruppen weitere Menschen der Gewerkschaft anschließen – sozusagen zum Dank für einen engagierten Einsatz für ihre Belange.
Ein großer Knackpunkt ist zudem die lange Laufzeit von 24 Monaten, die die Bahn zuletzt vorgeschlagen hat. Die EVG will schon früher wieder verhandeln, um auch auf weitere Preissteigerungen in den kommenden Monaten schnell reagieren zu können.
Für die Bahn ist eine lange Laufzeit des Tarifvertrags wichtig, um mehr Planungssicherheit zu bekommen. Der Konzern hat schon jetzt mit hohen Kosten zu kämpfen, etwa weil die marode Schieneninfrastruktur dringend modernisiert werden muss. Neue Verhandlungen mit der EVG schon in ein paar Monaten würden die Personalkosten schneller in die Höhe treiben, als dem Personalvorstand Martin Seiler lieb ist.
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Wolfgang Schroeder muss der Tarifkonflikt stets auch mit Blick auf die Konkurrenzsituation der EVG zur Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) betrachtet werden. Vergangenen Montag hat deren Chef Claus Weselsky seine Tarifforderungen vorgestellt, über die er ab Herbst mit der DB verhandeln wird. Die Kernpunkte: 555 Euro mehr pro Monat, drei Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche für Schichtarbeiter und 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie.
Damit habe die GDL die Latte sehr hoch gehängt, meint Schroeder. „Und wenn die EVG sich jetzt frühzeitig auf den Kurs des Bahn-Managements einlassen würde, könnte einmal mehr der Eindruck entstehen, dass die EVG die nachgebende Gewerkschaft ist und die GDL die fordernde Gewerkschaft“. Damit würde die EVG den Eindruck zerstören, den sie seit Monaten aufzubauen versucht habe – nämlich dass sie die starke Gewerkschaft innerhalb des Konzerns ist und es daneben keine andere braucht, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen.
Schroeder geht letztlich davon aus, dass es im Rahmen des Tarifkonflikt noch mal zum Arbeitskampf kommen wird.
Mehr Informationen zu den Warnstreiks auf den nächsten Seiten.
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