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In Zeiten wie diesen nimmt man im Bundeswirtschaftsministerium jeden Erfolg, den man kriegen kann. So auch am Donnerstag: „Weniger Kohle für Stromproduktion!“, hieß es da in einer Mitteilung des Hauses in den sozialen Medien. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei in den ersten fünf Monaten dieses Jahres die Stromerzeugung aus Steinkohle um 20 Prozent und die Erzeugung aus Braunkohle um 15 Prozent zurückgegangen.

Die Zahlen überraschen. Denn noch im Herbst des letzten Jahres war man auch im Wirtschaftsministerium fest davon ausgegangen, dass Deutschland auf die Kohle angewiesen sein wird, viel mehr als in den Jahren zuvor. Der russischen Angriffskrieg in der Ukraine ließ eine wichtige Gasquelle versiegen, vor allem in der Stromerzeugung werde man daher kurzfristig auf die schmutzige Kohle angewiesen sein, so lautete der Konsens. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ließ bereits eingemottete Kohlekraftwerke aus der Reserve zurückholen – eine Entscheidung, die Habeck wiederholt als „bitter“ bezeichnete, im Sinne der Energiesicherheit aber erforderlich sei.

Impulskauf in Indonesien

Eine Entscheidung, für die Deutschland auch eine Menge Geld in die Hand nahm. Nach Angaben des Vereins der Kohleimporteure (VdKi) importierte die Bundesrepublik im abgelaufenen Jahr insgesamt 44,4 Millionen Tonnen Steinkohle. Der stolze Preis: 11,1 Milliarden Euro – eine absolute Rekordsumme, bedingt durch den in die Höhe geschossenen Kohlepreis. Die anderen europäischen Staaten taten es Deutschland gleich: Der Import von Kraftwerkskohle durch die 27 EU-Länder plus Großbritannien stieg nach Angaben der Analysefirma Montel im Jahr 2022 auf 68,9 Millionen Tonnen, verglichen mit 64,5 Millionen Tonnen im Vorjahr. Ein großer Teil davon kam noch aus Russland, aber auch aus weit entfernten Ländern wie Kolumbien oder Indonesien.

Doch nicht nur in Deutschland stellt sich nun heraus: So viel Kohle hätte es gar nicht gebraucht. Zwei Faktoren, die im Sommer 2022 nur bedingt absehbar waren, haben Europa dabei geholfen, besser als gedacht durch den Winter zu kommen. Einerseits gelang es Staaten wie Deutschland, große Menge LNG-Flüssiggas als Ersatz für die weggefallenen russischen Gasmengen zu importieren und auch die dafür notwendige Infrastruktur aufzubauen. Andererseits half das Wetter: Der Winter fiel mild bis geradezu warm aus, der gesamte Kontinent musste weniger heizen. Im Vergleich zum Vorjahr verbrauchte Europa im abgelaufenen Winter sogar weniger Kohle, nicht mehr – ganze elf Prozent, wie aus einer Analyse der Energie-Denkfabrik Ember hervorgeht.

Wenn die Kohleberge ablaufen

Das bedeutet allerdings auch, dass Europa auf großen Kohlebergen sitzt, mit denen es nichts anfangen kann. Denn die bereits angekaufte Kohle lässt sich nicht einfach für den nächsten Winter vorhalten. Aus Platzgründen muss Kohle in der Regel draußen gelagert werden, und die Witterung sorgt dafür, dass der Energieträger irgendwann unbrauchbar wird. Anders formuliert: Stein- und Braunkohle haben ein Ablaufdatum, ähnlich wie Lebensmittel.

Fürs Klima sind die ungenutzten Kohleberge eine gute Nachricht, wenn auch mit Einschränkungen. Denn dieselben Händler, die im letzten Jahr noch massenhaft Kohle angekauft hatten, versuchen sie jetzt wieder auf dem Weltmarkt loszuwerden. In den letzten Monaten starteten von den Umschlagplätzen Spanien und Niederlande mehrere große Kohle-Schifftransporte in die Richtung von Staaten wie Indien, Marokko oder dem Senegal.

Der nächste Winter kommt bestimmt

Lieferungen aus Europa in diese Regionen seien sehr ungewöhnlich, sagte Analyst Alex Claude vom Unternehmen DBX Commodities dem Nachrichtenportal Bloomberg. „Das ist ein Zeichen, dass es weniger Nachfrage den Rhein herunter gibt und mehr Nachfrage außerhalb Europas.“

Die Preise purzeln entsprechend. An den Häfen von Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen wird Kohle mittlerweile für knapp 90 Dollar pro Tonne verkauft, letztes Jahr lag der Preis stellenweise bei 400 Dollar. Doch möglicherweise müssen genau diejenigen Händler, die jetzt ihre Kohle zu Dumping-Preisen abstoßen, in wenigen Monaten wieder ankaufen – wenn der nächste Winter kommt. Denn es gibt keine Garantie dafür, dass die kommende Winterperiode ähnlich milde ausfallen wird wie die letzte. 



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