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Der nordhessische Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global. Im Gegenzug übernimmt die verbleibende Viessmann-Gruppe ein Aktienpaket und wird nach eigenen Angaben vom späten Dienstagabend einer der größten Anteilseigner des US-Konzerns.

Der Kaufpreis beläuft sich auf 12 Milliarden Euro. Das Geschäft soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Beide Seiten hätten sich auf langfristige Garantien geeinigt, teilte Viessmann mit. So seien betriebsbedingte Kündigungen für drei Jahre ausgeschlossen, wichtige Standorte für fünf Jahre gesichert und Allendorf an der Eder für zehn Jahre als Hauptsitz gesetzt. An die Mitarbeiter der Sparte sollen 106 Millionen Euro als Sonderprämie „für 106 Erfolgsjahre“ ausgeschüttet werden.

Ausverkauf statt Wirtschaftswunder – das erste Opfer der Wärmepumpe

Es ist eines der größten deutschen Familienunternehmen, mehr als 100 Jahre alt, die Produkte stehen in Millionen Kellern und sorgen in ebenso vielen Häusern für Wärme: der Heizung- und Klimagerätehersteller Viessmann aus dem hessischen Örtchen Allendorf. Seit Jahren eilt er bei Umsatz und Gewinn von einem Rekord zum anderen, löst die Übergabe von einer Generation in die nächste vorbildlich und steht angesichts der Energiewende und der deswegen notwendigen Umrüstung der Häuser und Wohnungen in Deutschland vor einer gigantischen Aufgabe, die auch wieder Rekorde in der Bilanz verspricht.

Doch nun kommt das: Ausgerechnet Viessmann, so etwas wie das Herz des deutschen Mittelstands, ist geneigt, sich selbst zu zerlegen. Das lukrative Wärmepumpengeschäft wird an einen US-Konzern verkauft. Die Familie macht Kasse und aus der deutschen Technologieführerschaft in einem Kernfeld der Energiewende wird mal wieder nichts. Genauso wie bei der Solarkraft oder der Windenergie, wo chinesische Firmen den Deutschen längst den Rang abgelaufen haben.

Viessmann-Verhandlungen mit Klimaanlagenhersteller Carrier Global

Seit Montagabend machte die Nachricht die Runde, dass sich der Mittelständler für seinen Bereich Klimalösungen in fortgeschrittenen Verhandlungen mit dem Klimaanlagenhersteller Carrier Global aus Florida befindet. Das ist ein Schlag auch für den deutschen Mittelstand. Zu der Sparte gehört vor allem das wachsende Geschäft mit Wärmepumpen. Viessmann selbst stellt sie auf der Firmenwebsite als sein „wirtschaftliches Herz“ da.

Diese faustdicke Überraschung schreit nach einer Begründung: Geld genug hat das hessische Unternehmen – aus finanziellen Gründen wäre der Verkauf nicht notwendig. Aber der gerade in Deutschland stark wachsende Markt für Wärmepumpen hat eine Besonderheit: Die ausländische Konkurrenz ist deutlich weiter als die deutschen Hersteller, die es sich mit Gasheizungen lange gemütlich gemacht haben. Und bei den Wärmepumpen ist eine Konsolidierung absehbar. Soll heißen: Es kommt auf die Größe an, um die Geräte hinreichend günstig produzieren zu können.

Viessmann ist zwar ein Riese – allein die zum Verkauf stehende Sparte soll elf Milliarden Euro wert sein inklusive der Schulden. Aber Viessmann sucht dennoch einen starken Partner, um beim Ausbau der Wärmepumpen – bis 2030 sollen sechs Millionen Geräte hierzulande verbaut sein – nicht den Anschluss zu verlieren.

Warum die deutschen Hersteller Probleme haben

Dass diese Nachricht nur wenige Tage nach der Entscheidung der Bundesregierung kommt, den Heizungsmarkt neu zu ordnen, ist kein Zufall. Hersteller, so meinte jüngst Maschinenbau-Verbandschef Karl Haeusgen, „tanzen Samba“. Vaillant, Viessmann, Stiebel Eltron, Bosch waren da in erster Linie gemeint – große Namen des deutschen Mittelstands. Aber eben auch die ausländische Konkurrenz. Da winkt viel Geschäft angesichts der Planungen der Bundesregierung, ab 2024 in Deutschland jährlich 500.000 Anlagen neu zu montieren. Massiv gefördert durch Förderung und Verbot vom Einbau alter Heizsysteme, die vor allem mit Öl und Gas funktionieren.

In vielen Ländern ist die Wärmepumpe deutlich beliebter als in Deutschland, zum Teil ist ihr Gebrauch durch externe Umstände dort auch sinnvoller. In Schweden werden sie seit den 1980er-Jahren in Serie gefertigt. Der dort ansässige Konzern Nibe ist längst auf dem deutschen Markt präsent. Der japanische Konzern Daikin schafft es auch dank der Produktion in Deutschland und Tschechien, Wärmepumpen in drei bis vier Monaten zu liefern. Gerade bei der Lieferzeit hatten und haben deutsche Hersteller viele Probleme. Weitere Wettbewerber sind Mitsubishi, Samsung oder Panasonic. Der bayerische Anbieter Wolf wurde bereits für eine Milliarde Euro vom italienischen Gasthermen-Riesen Ariston geschluckt.

Hohe Investitionen, kaum Planbarkeit

Die deutschen Hersteller fahren deswegen ihre Produktionskapazitäten gefühlt schneller hoch als im Winter der Schnee taut. Für die großen Hersteller heißt es zunächst einmal investieren: Allein Viessmann, Vaillant und Bosch mit der Marke Buderus geben bis 2025 addiert 2,7 Milliarden Euro in Europa aus. Dabei bricht ihr Geschäft mit Gasthermen gerade ein gutes Stück weit ein. Vaillant geht davon aus, dass das Geschäft mit Wärmepumpen 2024 so viel Umsatz machen wird wie das mit Gasthermen. Doch Umsatz heißt noch lange nicht, Gewinn zu machen.

Zudem spielen die Verbraucher auch noch eine Rolle. Planbarkeit haben die Unternehmen freilich nur bedingt. Viele Fragen sind noch offen rund um die neuen Gesetze. Wie entwickelt sich das Geschäft mit Gasheizungen, die irgendwann mit Wasserstoff oder anderen klimaneutralen Gasen betrieben werden können? Und vor allem: Glauben die Hausbesitzer daran oder an die Wärmepumpe oder bleiben sie stur bei ihrer alten Technologie? Kaum jemand wagt eine Prognose, wie sich die Nachfrage genau entwickeln wird. Alle warten ab, wie das Gebäudeenergiegesetz genau aussehen wird.

Wofür der US-Riese Viessmann braucht

Doch ein Problem haben die ausländischen Hersteller, um auf dem deutschen Markt erfolgreich zu sein: Der Vertrieb und die Installation von Wärmepumpen laufen in der Regel über Handwerker. Und die sind zumeist eine Hersteller-Marke gewöhnt, auch weil sie von Viessmann, Vaillant und Co. ausgebildet wurden. Kein Wunder, dass asiatischen oder US-Hersteller deutlich seltener empfohlen wurden. Bis vor wenigen Monaten zumindest: Immer mehr Handwerker nahmen ausländische Produkte auf, weil die deutschen schlichtweg ihre Geräte nicht fix genug liefern konnten. Nun erkauft sich mit Carrier Global ein großes US-Unternehmen mir mehr als 20 Milliarden Dollar Umsatz Zugang zum deutschen Markt und den deutschen Handwerkern.

Was von Viessmann bliebe, wären die Bereiche Kältelösungen, Investmentbeteiligungen, Immobilien, die Digitalsparte sowie Stiftungen. Die Viessmann-Familie soll den Kaufpreis zum Teil in Aktien, zum Teil in bar erhalten. Standort soll das hessische Allendorf bleiben. Viessmann beschäftigt derzeit rund 14.500 Mitarbeiter und hatte 2022 den Umsatz um knapp 20 Prozent auf vier Milliarden Euro gesteigert.

Vor gar nicht so langer Zeit äußerte sich Firmenchef Max Viessmann eher skeptisch über die einseitige Präferenz des Bundeswirtschaftsministeriums für die Wärmepumpe. Er mahnte mehr Technologieoffenheit an. Doch als Robert Habecks Kurs diesbezüglich immer eindeutiger und die Förderung der Wärmepumpe höher wurde, verstummte die Kritik zusehends. Ob nur die Familie in einer günstigen Situation Kasse machen will oder ob der Verkauf auch zukunftssichernd für Firma und Arbeitsplätze ist – derzeit ist das offen. Fest steht: Die Habeck‘sche Wärmewende hat wieder eine Konsequenz nach sich gezogen, mit der zuvor die wenigsten gerechnet haben.



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