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Gut angebunden, möglichst viele Räume, mindestens ein Arbeitszimmer sowie eine gepflegte und sichere Nachbarschaft – das seien die typischen Anforderungen der Deutschen ans Eigenheim, berichtet Sabine Helterhoff. Sie ist die Vorsitzende der Geschäftsführung bei Bonava, einem Projektentwickler im Haus- und Wohnungsbau.

Helterhoff weiß, wie viele Emotionen auf das Leben im Eigenheim projiziert werden. „Es gilt als solide Kapitalanlage und eine gute Altersvorsorge, die vielen Menschen Sicherheit verspricht. Für viele ist es verlockend, später mietfrei zu wohnen.“

Doch der Traum von den eigenen vier Wänden gerät zunehmend ins Wanken. Das Modell Einfamilienhaus im Neubau kommt ökologisch und finanziell an seine Grenzen.

Umweltbundesamt kritisiert Energiebilanz von Einfamilienhäusern – nicht grün genug

„Wir fördern immer noch das Wohnmodell der Fünfzigerjahre und das kann nicht sein“, kritisiert etwa Christine Hannemann, Professorin für Wohnsoziologie, gegenüber dem „
Spiegel
“. Hannemann plädiert für einen Baustopp und für alternative, ökologischere Wohnformen. Auch das Umweltbundesamt veröffentlichte erst im Februar zusammen mit der Kommission Nachhaltiges Bauen ein
Positionspapier
, das Grundlage für eine gesellschaftliche Debatte um das Einfamilienhaus sein soll.

Aus Umweltsicht besonders kritisch blieben insbesondere bei neuen Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand, „die zusätzliche Flächenumwandlung und -versiegelung sowie der damit einhergehende Druck auf Freiflächen und Verlust von Ökosystemen und Biodiversität“, heißt es darin. Und weiter: „Einfamilienhäuser verursachen in der Regel „auch im Lebenszyklus mehr Treibhausgase und Ressourcenaufwand (kumulierter Energieaufwand) pro Quadratmeter als Mehrfamilienhäuser.“

Grüne träumen schon länger vom Ende des Einfamilienhauses im Neubau

Auf politischer Ebene ist vor allem den Grünen das Einfamilienhaus im Neubau ökologisch schon länger ein Dorn im Auge. Hamburgs grüner Umweltsenator Jens Kerstan hatte etwa 2021 in einem Interview gefordert, keine neuen Einzelhäuser mehr über die bereits bestehenden und geplanten hinaus zu bauen. Eine Äußerung, die für heftige Reaktionen auf politischer Ebene geführt hatte.

Unterstützung bekam Kerstan zu der Zeit zwar von seinem Parteikollegen Anton Hofreiter (Grüne). Dieser sprach in einem weiteren Interview zwar nicht von einem Verbot für die liebste Wohnform der Deutschen, hinterfragte sie aber sehr wohl kritisch. Bei der CDU entfachte die Kritik am Einfamilienhaus jedoch ein Feuer der Entrüstung. Schließlich besitzt das Thema bei den Vertretern der Unions-Parteien den Stellenwert einer Heiligen Kuh.

Einfamilienhäuser immer teurer – das drückt auf die Nachfrage

Damals blieb der politische Schlagabtausch zum Einfamilienhaus zwar ergebnisoffen. Doch seit der Debatte von 2021 ist viel passiert. Und auch ganz ohne Verbot des Einfamilienhauses im Neubau scheint der Grünen-Traum zunehmend in Erfüllung zu gehen.

So ist das Einfamilienhaus im Neubau durch die Preissteigerungen der vergangenen Jahre beim Bauland und Material sowie vor allem durch die immer teurer werdende Finanzierung für viele Menschen außerhalb des Budgets. Die Bauzinsen für zehnjährige Finanzierungen waren seit Anfang 2022 von rund einem Prozent auf zuletzt etwa rund vier Prozent gestiegen. Wie sich das auf die Gesamtbelastung für Immobilienkäufer auswirkt, zeigt folgende Rechnung:


 

 

„Das klassische Einfamilienhaus im Neubau verkauft sich nicht mehr“

Dennoch sei der Wunsch nach einem Eigenheim, mindestens nach einem Reihenhaus, weiter groß, beobachtet Sabine Helterhoff von Bonava. Auch eine Studie von Engel und Völkers kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der deutschen Mieter vom Eigenheim träumt. Doch inzwischen hat sich die Nachfrage am Markt erheblich abgekühlt. Die Zahl der tatsächlich vergebenen Hypothekenkredite sinkt – und am stärksten scheint die Delle bei den Einfamilienhäusern im Neubau zu sein.

„Das klassische Einfamilienhaus im Neubau verkauft sich nicht mehr. Wer aktuell mit den klassischen Einfamilienhaus-Bauern redet, merkt ziemlich schnell, dass der Markt quasi komplett eingebrochen ist. Aufträge für Einfamilienhäuser scheinen kaum bis gar nicht mehr vergeben zu werden“, kommentiert etwa Jens R. Rautenberg gegenüber FOCUS online. Er ist Geschäftsführer bei der Conversio-Gruppe, die Wohnimmobilien als Kapitalanlage bewerten. Zu seinen Kunden gehören in erster Linie Finanzdienstleister oder Banken.

Dass sich dieser Trend zeitnah wiederumkehre, glaubt Rautenberg nicht. Der Grund: Entspannung bei den Materialkosten oder Bauzinsen dürfe es erstmal nicht geben. „Und in Kürze werden wir noch mal eine Verschärfung der Lage durch den neuen energetischen Baustandard KfW 40 sehen. Das wird es auch nicht günstiger machen“, meint Rautenberg.

Auch Christoph Blepp warnte schon im vergangenen Jahr gegenüber FOCUS online, dass es das Einfamilienhaus im Neubau vor dem Hintergrund der heraufziehenden Krise künftig schwer haben dürfte. Er ist Gründungspartner bei S&B Strategy, einer Unternehmensberatung, die sich mit Übernahmen und Strategien im Bausektor befasst. „Es wird Verschiebungen in der Struktur geben: Weg vom Einfamilienhaus, das vom Preis her viel zu hoch ist, hin zu Mehrgeschossbauten“, lautete sein Fazit.

Lassen sich die Kosten mit den deutschen Wohnwünschen vereinbaren?

Bei Bonava glaubt man hingegen trotz der schwierigen Marktlage weiter das Einfamilienhaus. „Wir sind natürlich im Moment als Branche insgesamt in einer extremen Situation“, sagt Helterhoff. Das Ende der liebsten Wohnform der Deutschen will man hier dennoch noch nicht einläuten. Stattdessen machen sich Helterhoff und ihre Kollegen Gedanken, wie das Einfamilienhaus noch in die heutige Zeit passt.

„In den vergangenen Jahren konnten wir uns bei der Ausstattung der Häuser sehr viel leisten. Hier sind viele Kaufwillige bereit, Abstriche zu machen und dadurch Geld zu sparen“, so Helterhoff. Statt Parkett griffen Kunden nun vermehrt zu Laminat, das Dachgeschoss würde erstmal nicht ausgebaut, weil das noch nachträglich gemacht werden kann und ganz grundsätzlich würden die Häuser kompakter. So wollen sich Käufer Neubauten wieder leisten können.

Helterhoff: „Weniger Quadratmeter bedeutend einen niedrigeren Verkaufspreis. Es müssen eben nicht mehr 140 bis 160 Quadratmeter sein, sondern 100 bis 120 Quadratmeter reichen auch. Wir hatten letztens sogar ein Projekt mit 80 Quadratmetern bei einem Reihenhaus.“ Ein kompakterer Bau habe zudem den Vorteil, dass er oft weniger Fläche verbrauche und damit ökologischer sei.

„Immer mehr Projektentwickler machen sich zudem Gedanken darüber, wie sich bereits bestehende Flächen zu Wohnraum umwandeln lassen und wie man die Emissionen der Bewohner von Einfamilienhäusern durch die Infrastruktur, den Energieverbrauch und eingesetzte Materialen sowie Baustoffe verringert.“ Am Ende, so die Hoffnung von Helterhoff, lassen sich dadurch nicht nur langfristig Kosten sparen, sondern der deutsche Wohntraum vom Einfamilienhaus könnte sich auch wieder mit dem großen gesellschaftlichen Ziel des Klimaschutzes vereinbaren.



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