Die Zinsen steigen, die Preise fallen: Die aktuelle Trendumkehr am Immobilienmarkt hat die Nachfrage nach Kauf- und Mietimmobilien verändert. Der Druck auf das Mietangebot in den Städten steigt, doch auch die Rahmenbedingungen für das Wohneigentum zur Selbstnutzung haben sich deutlich verschlechtert.
Ob Mieten oder Kaufen derzeit ökonomisch gesehen besser ist, hängt aber nicht nur von den aktuellen Mieten, Kaufpreisen und Zinsen ab, sondern auch von deren Entwicklung in den zukünftigen Jahren. Zudem müssen sich Kaufwillige die Grundsatzfrage stellen, wie sie künftig leben wollen und was für ein Immobilientyp sie sind. Eine Bestandsaufnahme für das Jahr 2023 in vier Punkten.
1. Kaufen oder mieten: Die aktuelle Lage am Markt
Ob Mieten oder Kaufen auf lange Sicht wirklich ökonomisch gesehen besser ist, hängt zunächst von der individuellen finanziellen Belastung ab – und die steigt aktuell in den meisten Fällen, da die Bauzinsen in den vergangenen Monaten einen deutlichen Sprung gemacht haben. Auch wenn die Finanzierung mit einem Zinssatz von 3,6 Prozent jährlich (Ende Dezember 2022) historisch gesehen immer noch recht moderat ist, wird der Einstieg ins Eigenheim somit für immer mehr Haushalte schwieriger.
Da die höheren Bauzinsen Kredite teurer machen, stellt sich für viele Deutsche die Frage, ob sie ein Objekt kaufen oder mieten wollen, gar nicht mehr. So kann schon ein geringer Anstieg des Zinsniveaus die monatliche Belastung um Hunderte Euro erhöhen. Zusätzlich sind durch die hohe Inflation ohnehin viele andere Kosten gestiegen, was das monatliche Budget der Haushalte weiter schmälert.
Einige Makler sprechen daher bereits von Trendwende, da der Kreis der Kaufinteressenten, die sich noch eine Immobilie leisten können oder wollen, immer kleiner wird, was wiederum die Nachfrage und somit auch auf die Kaufpreise drückt. Dieser Mechanismus war im dritten Quartal 2022 schon zu beobachten: So fielen die Preise für Wohnimmobilien laut Statistischem Bundesamt im Schnitt um 0,4 Prozent zum Vorquartal. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) beobachtete einen Rückgang um 0,7 Prozent – das erste Minus seit 2010. Gemessen am Vorjahresquartal stiegen die Preise, wenn auch gedämpft.
Immerhin hat sich dadurch seither die Lage von privaten Kaufinteressenten, die sich Eigentum noch leisten können, etwas verbessert. So sind angesichts der wirtschaftlich schwierigen Gemengelage in Deutschland vermehrt auch Investoren mit Käufen zurückhaltender geworden. „Wir sehen auf dem Immobilienmarkt aktuell mehr Angebote und größeren Spielraum für Preisverhandlungen“ , sagt Mirjam Mohr, Privatkunden-Vorständin beim Kreditvermittler Interhyp. „Für eigenkapitalstarke Käufer bietet das Marktumfeld Chancen“, meint auch Analyst Thorsten Lange von der DZ Bank. Kaufinteressenten mit wenigen Ersparnissen müssten dagegen schon ein hohes Einkommen haben, um nicht an den viel höheren Kreditraten zu scheitern.
So bleibt oft nur das Ausweichen: Die Nachfrage werde sich teils auf den Mietwohnungsmarkt verlagern und dort den Druck erhöhen, heißt es in einer Studie der Landesbank Helaba. Nach einer Phase mit relativ geringen Aufschlägen zogen die Neuvertragsmieten zuletzt mit einem Plus von fünf Prozent wieder stärker an, beobachtet die DZ Bank. Das trifft in Deutschland viele Menschen, da nur rund die Hälfte der Bevölkerung in Eigentum lebt – so wenige wie kaum in einem anderen Land Europas. Sowohl Eigentum als auch die Mieten werden derzeit also tendenziell teurer.
Wärmepumpen jährlich ist das Ziel: Sechs Knackpunkte muss die Regierung für ihr Wärmepumpen-Ziel überwinden“>Auch spannend: Sechs Knackpunkte muss die Regierung für ihr Wärmepumpen-Ziel überwinden
2. Kaufen oder mieten: Der mittelfristige Ausblick
Ob es sich nur um eine kurze Schockstarre handelt oder der Immobilienmarkt tatsächlich vor einer Abwärtsspirale steht, ist offen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält 2023 einen Rückgang der Immobilienpreise um bis zu zehn Prozent für möglich und sieht somit ein erhöhtes Risiko für Preiskorrekturen. Nicht ganz so weit geht die DZ Bank, die einen Preisrückgang von maximal vier bis sechs Prozent 2023 erwartet. „Bei Wohneigentum dürfte der Rückgang etwas schwächer, bei Mehrfamilienhäusern etwas ausgeprägter ausfallen“, schreibt Analyst Lange. Von extremen Preisverfällen kann damit 2023 aber noch nicht die Rede sein , da sich die Immobilienpreise binnen zehn Jahren etwa verdoppelt haben. Selbst ein kräftiger Rückgang um rund 20 Prozent, den einige in der Branche für möglich hielten, würde nur das Niveau von 2020 bedeuten, sagte VDP-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt.
Andere Branchenkenner erwarten ohnehin nicht, dass es trotz steigender Zinsen zu einem Rückgang der Immobilienpreise kommt. Dazu zählt etwa der Vorstandschef des Immobilienkonzerns Vonovia , Rolf Buch. Nahezu einig sind sich die Experten und Expertinnen allerdings darin, dass die Wertzuwächse in den kommenden Jahren deutlich weniger dynamisch sein werden als in den Jahren zuvor. Auch Vonovia-Chef Buch sagt trotz seiner deutlich positiveren Grundstimmung: „Natürlich werden wir die Wertsteigerungen der vergangenen Jahre so schnell nicht mehr sehen, aber die Werte werden weitestgehend stabil bleiben.“ Der Grund: Die Nachfrage sei weiter höher als das Angebot.
Auch der Immobilienexperte Michael Voigtländer beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) glaubt: „Wenn eine hohe Wohnungsnachfrage auf ein verknapptes Angebot trifft, stützt das die Preise.“ Und in Deutschland wird nach wie vor zu wenig gebaut, um dem Bedarf gerecht zu werden. Zudem dürfte die Zuwanderung aus dem Ausland, die in der Pandemie einbrach, steigen und die Nachfrage nach Wohnraum vor allem in Städten weiter erhöhen.
In weniger gefragten Regionen sollten Kaufwillige hingegen Vorsicht walten lassen. Langfristig werden die Wertentwicklungen auf dem Immobilienmarkt vor allem durch die wirtschaftlichen sowie demografischen Entwicklungen der jeweiligen Regionen bestimmt. Schon im Frühjahr 2022, vor der großen Unsicherheitswelle am Markt, kam daher eine Studie der Postbank zu dem Ergebnis, dass in der knappen Mehrheit der deutschen Regionen der Preisboom bis 2035 wegen genau jener Aussichten ohnehin ein jähes Ende nimmt. Die Lage ist dementsprechend auch 2023 der beste Schutz, damit die Traumimmobilie noch an Wert gewinnt und sich eine Kaufentscheidung letzten Endes langfristig gegenüber der Wahl zur Mietwohnung rentiert.
3. Kaufen oder mieten: Das Preisniveau im Blick behalten
Rein wirtschaftlich betrachtet sind Miete und Eigentum also nicht überall gleichermaßen sinnvoll. Um zu vermeiden, dass Kaufwillige viel Geld verbrennen und sich falsch entscheiden, sollten sie in ihre Abwägung aber nicht nur die potenziellen Wertsteigerungen einer Immobilie einbeziehen, sondern auch das aktuelle Preisniveau. Wichtig ist, ob ein Eigenheim zu den aktuellen Kaufpreisen und Miethöhen noch Sinn macht, da die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre dazu geführt haben, dass die Mieten deutlich langsamer gestiegen sind als die Kaufpreise.
Das Kaufpreis-Miete-Verhältnis bietet dafür einen guten Gradmesser und hilft, das Preisniveau in einer bestimmten Stadt oder Region abzuschätzen. Es dient als wesentlicher Vergleichswert für oder gegen einen Immobilienkauf und misst, wie viele Jahre Kaufwillige brauchen, um eine Immobilie mit einer durchschnittlich erzielbaren Miete abzuzahlen. Das Kaufpreis-Miete-Verhältnis berechnet sich aus Kaufpreis inklusive Nebenkosten dividiert durch die Jahreskaltmiete für ein vergleichbares Objekt.
Je niedriger der Wert, desto besser für den Käufer. Je höher der Wert, desto eher sollten Kaufinteressenten in der Region Mieter bleiben. Werte von 20 (und somit 20 Jahren bis zur Abzahlung einer Immobilie) gelten in Deutschland noch als günstig. Ab Werten von 25 gelten Immobilien eher als teuer und ab Werten von 35 sollten Interessenten von einem Kauf absehen, meinen viele Experten.
- Einen einfachen Rechner zur Ermittlung des persönlichen Kaufpreis-Miete-Wertes gibt es hier .
- Bei Immowelt gibt es eine detailliertere Version des Rechners.
Dennoch ist eine günstig erworbene Immobilie keine Garantie dafür, dass Eigentümer besser fahren als Mieter. Es zählt der langfristige Vermögensvergleich und die Renditeentwicklung. Sowohl Mieter als auch Eigentümer sollten einen Betrag festlegen, den sie in ihrem monatlichen Budget maximal für das Wohnen aufbringen können. Wer kauft, kann diesen Betrag in den Kredit stecken, wer hingegen zur Miete wohnt, sollte ihn möglichst gut anlegen – abzüglich der Miete.
4. Die emotionale Entscheidung nicht vernachlässigen
Selbstverständlich ist die Entscheidung für ein Mietobjekt oder eine Kauf-Immobilie am Ende immer auch emotional und niemals allein rational zu erklären. Einige Punkte beim Wohnen sprechen eher für Mieter, andere eher für Eigentümer.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von widget.focus.de zu laden.
Mehr zum Thema: Mit diesen Hilfen können Kaufwillige ab 2023 im KfW-Förder-Chaos rechnen
Zum Autor
#Immobilien #kaufen #Aachen