0800 955 66 77 info@deinestadt-immo.com

Hans Weinreuter kennt unzählige Mythen über das Dämmen. Der Fachbereichsleiter für Bauen und Energie bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz lacht, es sei nun mal sein Job, aufzuklären – auch wenn sich die Physik über die Jahre nicht ändere. Fast zwei Drittel der 19 Millionen Wohngebäude sind laut Deutscher Energieagentur vor 1979 gebaut – und meist ungedämmt. Ihr Energieverbrauch ist bis zu fünf Mal höher als bei nach 2001 errichteten Neubauten.

Dämmen wird also ein zentraler Bestandteil der deutschen Wärmewende. Im Gespräch mit FOCUS online räumt Energie-Experte Weinreuter mit den fünf wichtigsten Dämm-Mythen auf und erklärt, warum fachgerechte Dämmung auch noch Geld spart.

Mythos 1: Wenn ich die Hausfassade dämme, können die Wände nicht mehr richtig „atmen“

Hans Weinreuter: Wände „atmen“ nicht! Dieser Mythos ist bereits im 19. Jahrhundert entstanden. Damals wollte der Chemiker Max von Pettenkofer beweisen, dass Wände luftdurchlässig sind. Er nahm einen Ziegelstein und pustete durch einen Trichter dagegen. Tatsächlich konnte er auf der anderen Seite einen Luftstoß messen.

FOCUS online: Also können Wände doch „atmen“?

Weinreuter: Nein, denn Pettenkofer hat einen entscheidenden Fehler gemacht – und der ist später in der Wissenschaft korrigiert worden. Solch einem starken Luftdruckunterschied, wie durch das Pusten aus der Lunge erzeugt wird, ist eine Hauswand in der Realität nie ausgesetzt. Bei normalen Druckverhältnissen gibt es keinen Luftaustausch durch die Wand, sondern nur durch Öffnen und Schließen von Fenstern und Türen oder durch kleine Fugen an Tür- und Fensterrahmen.

Der Luftaustausch durch die Fugen reicht aber nicht aus und kann sogar Schimmel erzeugen. Deswegen ist es bereits seit Jahrzehnten Vorgabe, dass die Gebäudehülle möglichst luftdicht sein sollte. Die Angst vor der Dämmung und „atmenden“ Wänden ist völlig unbegründet. Für den Luftaustausch muss gelüftet werden.

Hans Weinreuter ist Fachbereichsleiter für Bauen und Energie bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Zusammen mit seinem Team kümmert sich der 63-Jährige um die Energieberatung zum effizienten Sanieren von Gebäuden. Weinreuter kommt als Experte regelmäßig in zahlreichen deutschen Medien zu Wort.

Mythos 2: Dämmung verhindert den Feuchtigkeitsaustausch und begünstigt Schimmelbildung

Weinreuter: Im Gegenteil, die Dämmung hilft sogar dabei, Schimmel vorzubeugen. Die meisten Leute denken sofort an den Schimmel in Wandecken, vor allem in älteren Häusern. In diesen Bereichen ist die Raumluft am kältesten. Wenn die warme, feuchte Raumluft auf die kälteren Wände trifft, kühlt die Luft ab und kann weniger Feuchtigkeit speichern. An den Wänden wird diese Feuchtigkeit frei.

FOCUS online: Und dann steigt die Schimmelgefahr.

Weinreuter: Genau. Die Außendämmung hilft hier, die Wandoberflächen warm zu halten und somit das Risiko für Schimmelbildung zu senken. Gerade einmal zwei Prozent der Feuchtigkeit werden durch die Wand nach außen transportiert. Daran ändert sich auch mit einer Außendämmung nichts. Selbst bei einer Dämmung mit Polystyrol – volkstümlich auch als „Styropor“-Dämmung bezeichnet.

FOCUS online: Oft heißt es aber, eine „Styropor“-Dämmung sei wie eine Plastiktüte um das Haus. Das stimmt wohl nicht?

Weinreuter: Nein, eine Polystyrol-Dämmung ist nicht komplett dicht, auch hier findet ein Feuchtigkeitsaustausch statt. Aber das ist mit circa zwei Prozent eine so geringe Menge, dass die Dämmung für die Feuchte-Bilanz des Gebäudes nicht erheblich ist. Feuchtigkeit durch Duschen, Kochen oder Bügeln muss rausgelüftet werden.

In den Fugenbereichen an Dach- und Fensteraußenwand kann es zur Schimmelbildung kommen, wenn die Fuge offen ist. Die warme Luft kühlt sich hier auf dem Weg nach draußen ab und bildet in den Fugen Schimmel – das liegt aber nicht an der Dämmung.

Mythos 3: Mit dem Einbau einer neuen Heizung spare ich bereits Energie. Dann brauche ich nicht auch noch dämmen

Weinreuter: Mit einer neuen Heizung lässt sich der Energieverbrauch meist reduzieren, aber das hat Grenzen. Es ist ganz einfach: Die Heizung muss immer so viel Energie ins Haus liefern, wie durch die Gebäudehülle verloren geht. Bei guter Dämmung der Gebäudehülle wird weniger Energie für das Heizen benötigt. Denken Sie an den Kostenfaktor: Je mehr Sie heizen müssen, desto teurer wird es.

Mythos 4: Das Geld für eine Außendämmung kann ich mir sparen, denn Innendämmung ist meistens günstiger

Weinreuter: Eine Innendämmung ist nie so wirksam, wie die Dämmung von außen. Wenn Sie in Innenräumen dämmen, verkleinern Sie gleichzeitig die Wohnfläche. An der Fassade ist eine dickere Dämmschicht leichter anzubringen, eine Dicke von 14 bis 20 Zentimeter ist hier die Regel. Im Innenraum wäre der Wohnraumverlust viel zu hoch, hier wird meist zwischen vier und acht Zentimeter dick gedämmt.

FOCUS online: Gibt es dennoch Ausnahmen?

Weinreuter: Bei denkmalgeschützten Hausfassaden ist eine Innendämmung eine gute Lösung. Auch Mieter profitieren, wenn Sie mit dem Einverständnis Ihres Vermieters die Wohnung dämmen können, ohne an die Fassade zu müssen.

Mythos 5: Dämmen ist teuer – das Geld hole ich doch nie raus!

Weinreuter: Hier kommt es auf den Einzelfall an. Je schlechter das Gebäude bislang gedämmt ist, desto mehr Energie lässt sich durch eine neue Wärmedämmung sofort einsparen. Eigentümer sollten vorab kalkulieren, wie hoch die Kosten für die Wärmedämmung sind. Bei den aktuellen Baupreisen steigen diese leider. Wichtig ist es, vorab durchzurechnen: Wie viele Energie wird durch die Dämmung eingespart? Wie entwickeln sich die Energiepreise? Vor allem bei Öl und Gas geht es preislich eher nach oben, eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Es können nur Abschätzungen getroffen werden.

Dämmung bietet aber eine langfristige Sicherheit: Als die Gas- und Heizölpreise im letzten Jahr in ungeahnte Höhen schossen, konnten Bewohner in gedämmten Häusern die Krise wesentlich einfacher wegstecken als in ungedämmten Altbauten.

Tipps und Tricks fürs Dämmen mit kleinem Budget: Nicht nur die Fassade im Blick

Neben der Außenfassade gibt es bei einem Gebäude noch weitere neuralgische Punkte, wo sich das Dämmen lohnt. Viel Geld lässt sich laut Energie-Experte Weinreuter beim Dämmen der obersten und untersten Geschossdecke einsparen. Auf dem Dachboden, wenn dieser nicht für Wohnzwecke genutzt werden soll, lässt sich so von oben eine Dämmschicht anbringen. Das ließe sich, so Weinreuter, mit etwas handwerklichem Geschick gleich selbst erledigen.

Gleiches gilt für eine Dämmung der Kellerdecke von unten, wenn der Keller nicht beheizt wird. Allerdings verringert die Dämmung der Kellerdecke auch die Deckenhöhe, in der Regel ist der Spielraum hier etwas kleiner. Neue Fenster sind laut Weinreuter die teuersten Bauteile – und kosten pro Quadratmeter mehr als eine Außendämmung.

Wenn bereits Fassadenarbeiten geplant sind und ein Gerüst an der Wand steht, ist es laut Weinreuter für Eigentümer der richtige Zeitpunkt, gleich die Fassadendämmung mitzudenken.

Eigentümer profitieren von Fördergeldern fürs Dämmen

Die Bundesregierung fördert energieeffizientes Bauen und Sanieren mit einem eigenen Förderprogramm. Eigentümer können für Dämm-Maßnahmen an der Gebäudehülle bis zu 15 Prozent der Ausgaben wiederbekommen. Dabei gilt: Es müssen mindestens 2000 Euro investiert werden und ein Energieberater muss bescheinigen, dass die Förderbedingungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) erfüllt sind. Jährlich lassen sich so bis zu 60.000 Euro förderfähige Kosten einreichen.

Ein Energieberater hilft dabei, einen Sanierungsfahrplan für das Haus oder die Wohnung zu erstellen und gibt einen Überblick über die Förderprogramme des Bundes.



Zum Autor
#Immobilien #finanzieren #Aachen