New Work – mittlerweile ein inflationär verwendeter Begriff – ist in Teilen nicht wirklich neu, jedoch werden hip klingende Ausdrücke verwendet, um die Modernität sowie die Neuheit zu unterstreichen. Definitiv ist New Work jedoch ein Megatrend. Laut Zukunftsinstitut sind Megatrends „Lawinen in Zeitlupe“ – „sie entwickeln sich zwar langsam, sind aber enorm mächtig“.
„Langsam…“ – Durch die Pandemie hat New Work in manchen Bereichen einen deutlichen Schub bekommen. Betrachten wir beispielsweise Remote Work, sind die Akzeptanz und auch die Offenheit der Unternehmen demgegenüber gewachsen. Die Möglichkeit, nicht ausschließlich vom Büro aus zu arbeiten oder nicht für ein Meeting extra in eine andere Stadt zu reisen, hat einen anderen Stellenwert bekommen. Dennoch ist dieses Phänomen nicht neu, es war nur vor einigen Jahren eine Ausnahme und ist heute mehr und mehr die Regel. Die Unterstützung durch digitale Tools vereinfacht dies noch.
Die oben erwähnten Begriffe sind Ansätze und Bausteine, die eine Freiheit suggerieren und vielleicht sogar tatsächlich ermöglichen. Work-Life-Blending oder Life-Life-Balance beinhalten, dass Mitarbeitende selbstbestimmt und flexibel das Arbeits- und Berufsleben mit dem Privatleben verbinden können.
Sind wir nicht in einem modernen Zeitalter gelandet? – Willkommen in der neuen Arbeitswelt!
Ohne Vielfalt ist alles nichts
Wenn Sie sich intensiver mit den Ansätzen von New Work beschäftigen, fällt Ihnen auf, dass nur bestimmte Berufsgruppen von diesem Angebot profitieren können. Die Sprache für die einzelnen Bausteine signalisiert jedoch etwas Gemeinschaftliches. Copetition, Co-Working, Collaboration. Gemeinsam arbeiten wir an Projekten, Produkten und feiern unsere Ergebnisse.
Haben Sie in dem Zusammenhang schon einmal über Produktionsmitarbeitende oder andere Berufsbilder wie Ärzte, Pflegekräfte oder Mitarbeitende in der Hotellerie nachgedacht? Wenn wir über Gemeinschaft und „wir bewegen etwas gemeinsam“ nachdenken, inkludiert dies nicht alle Berufsbilder? Wir sprechen gerne über höheren Stellenwert von Werten und reden über Vielfalt.
Aber wo ist die Vielfalt im Rahmen von New Work geblieben?
In meiner Tätigkeit als Human Resources Verantwortliche (ich weiß, der Begriff Human Resources löst immer wieder Debatten aus – was heute nicht unser Thema ist) in der Automobilzuliefer-industrie ist mir die Diskussion sehr wichtig. Denn hier trifft New Work auf die Realität. Schließlich haben Mitarbeitende in der Produktion nicht die Möglichkeit, im mobilen Arbeiten tätig zu sein oder remote zu arbeiten. Aber wie kann ein Angebot für diese Berufsgruppen aussehen? Schließlich scheint eine Präsenz vor Ort im Rahmen von Schichtarbeit unabdingbar zu sein. Wie gelingt es dennoch, den Interessen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden entgegenzukommen?
Konzept für mehr Vielfalt
Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz. Einzelne Bausteine bilden ein Potpourri an Möglichkeiten. Wenn wir das Thema Flexibilisierung der Arbeitszeit betrachten, sollten die Human Resources Abteilungen über neue oder eine Rotation von Zeitmodellen nachdenken. Auch Gleitzeit und Teilzeit in einem Schichtbetrieb stehen nicht konträr zueinander. Im Gegenteil. Gerade Familien, Eltern oder Mitarbeitende, die pflegebedürftige Angehörige haben oder selbst betroffen sind, stundenlang einer andauernden starken körperlichen Belastung ausgesetzt zu sein, profitieren von einem derartigen Angebot. Die Unternehmen ermöglichen den Mitarbeitenden am Privatleben und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Des Weiteren steht die Gesundheit im Fokus, und wir als Arbeitgeber müssen unterstützend wirken.
Um der Monotonie zu entfliehen, sollte über eine Anforderungsvielfalt der Tätigkeit nachgedacht werden. Die Frage ist: Wie kann sichergestellt werden, dass es eine Abwechslung im Produktionsalltag gibt? Personalentwicklungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen sind also notwendig.
Gerne wird auch über Selbstbestimmung und Empowerment gesprochen. Schon einmal darüber nachgedacht, dass die Teams sich selbst organisieren? Mittlerweile gibt es einfache digitale Lösungen, um diesen Ansatz zu unterstützen. Die Produktionsmitarbeitenden haben die Möglichkeit, ihre Schichtpläne in Echtzeit via mobile devices oder an Kiosk-Lösungen im Werk abzurufen und sich für die Schichten einzutragen. Dies erhöht die persönliche Flexibilität.
Grundsätzlich müssen wir uns moderne Formen der Arbeitsorganisation überlegen. Dies kann ebenfalls beinhalten, dass sich von der klassischen Headcountplanung verabschiedet wird. Nicht die Anzahl der Mitarbeitenden sind wichtig, sondern dass genügend Kapazität vorhanden ist. Dies kann bedeuten, dass sich statt einer Person zwei Personen eine Stelle teilen.
All diese Ansätze zeigen Vertrauen in die Belegschaft und eine gewisse Wertschätzung.
Voraussetzung für ein Gelingen und den Erfolg von New Work in allen Bereichen ist die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen und das Mindset in den Unternehmen zu entwickeln, eingetretene Pfade zu verlassen und neue bzw. andere Wege zu beschreiten. Dafür braucht es natürlich Mut.
Wie Sie sehen, nicht alle Ansätze von New Work sind wirklich neu. Die Besonderheit ist jedoch, dass New Work als Megatrend einen neuen Stellenwert in der Organisation erhält und aus meiner Sicht in der HR Strategie wie auch in der des Unternehmens verankert sein sollte. Apropos Veränderung des Mindsets: Gemeinschaft bedeutet ein ganzheitliches Denken und nicht die Unterscheidung in Gruppen – schließlich sind wir ein Team, und dies ist voller Vielfalt.
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