Das Wort Immobilie genießt im Allgemeinen einen guten Ruf: Der Immobilienkönig ist – von New York bis München – ein Ehrentitel, den man sich durch vorausschauende Investments und eine Mischung aus Charme und Kaltblütigkeit erworben haben muss. Der Immobilienspekulant ist nicht ganz so gut beleumundet, obwohl er ein naher Verwandter des Immobilienkönigs ist.
Die Immobilie ist für Investoren plötzlich eine Falle
Doch seit die Notenbanken dem Geld wieder einen Preis gegeben haben und damit die Kreditkosten in die Höhe schnellten, hat das Wort Immobilie an Glanz verloren. Für die damit beschäftigten Konzerne ist die Immobilie plötzlich nur ein anderes Wort für Falle. Die Reportings aus den Vorstandsetagen lesen sich wie Unwetterwarnungen:
- Vonovia sah sich gezwungen, das eigene Immobilienportfolio im ersten Quartal 2023 um knapp vier Prozent abzuwerten. Die Abschreibung drückt den Konzern rechnerisch in die Verlustzone: minus 2,1 Milliarden Euro im ersten Quartal. Für 2023 hat Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen alle Neubauaktivitäten storniert.
- Das MDax-Unternehmen LEG Immobilien kündigte gestern an, im zweiten Quartal dieses Jahres eine Neubewertung seines Portfolios vornehmen zu wollen. Man rechne mit einem Rückgang des Wertes „im mittleren einstelligen Prozentbereich“, heißt es aus der Düsseldorfer Firmenzentrale.
- Die Abwertung des Immobilienbestandes war nicht der Beginn, sondern die Fortsetzung der Abwärtsspirale: Bereits im zweiten Halbjahr 2022 hatte LEG seine Bestände um vier Prozent abgewertet, Vonovia hatte den Wert damals bereits um 3,9 Prozent reduziert. Die Börse bewertet beide Unternehmen mit einem Wertverlust von fast 50 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten.
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Die Mechanik, die hier die Werte und damit auch die Renditen frisst, funktioniert mit geradezu mathematischer Präzision:
Hohe Zinsen verteuern die Kredite zur Finanzierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Viele Käufer setzen nun auf fallende Preise – und zögern den Kauf einer Immobilie hinaus.
Geringe Nachfrage nach Immobilien deutlich zu spüren
Der im SDax notierte Finanzdienstleister Hypoport spürt die geringere Nachfrage nach Immobilien deutlich. Der Umsatz von Hypoport fiel im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 Prozent auf 94 Millionen Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern brach um 90 Prozent auf eine Million Euro ein.
Der Zinsschock hat den Immobilienmarkt gründlich aus dem Takt gebracht. Jahrelang kauften sich Wohnungskonzerne wie Vonovia mit billigen Krediten ihre Portfolios zusammen – in Österreich, Schweden oder Frankreich. Die Refinanzierung auslaufender Kredite zu höheren Zinsen zwingt die Unternehmen nun zum Notverkauf. Denn diese Immobilien müssen plötzlich Rentabilitäten erwirtschaften, für die sie nie geplant waren.
Krise frisst sich bis in die Substanz vor
Vonovia identifizierte Immobilienbestände von rund 13 Milliarden Euro, die verkauft werden könnten. Aktuell sollen fünf Bestandsobjekte mit 1350 Wohnungen für 560 Millionen Euro veräußert werden.
Auch die Düsseldorfer LEG Immobilien stellt Wohnungspakete zur Disposition. Im ersten Quartal 2023 verkaufte das Unternehmen 434 Einheiten. LEG will mindestens 5000 weitere Einheiten verkaufen – von mittelgroßen Gebäuden mit mehr als 200 Wohnungen bis hin zu Einzelobjekten in Ostdeutschland.
Für den Verkauf brauchen die Unternehmen solvente Käufer, doch die tauchen zunehmend ab. Wechselten 2021 noch Immobilien im Wert von 114 Milliarden Euro den Eigentümer, dürfte es dieses Jahr nicht mal die Hälfte sein. Für Vonovia und LEG Immobilien wird es zunehmend schwerer, Wohnungspakete ohne nennenswerten Abschlag zu verkaufen. Die Krise frisst sich bis in die Substanz vor.
Der Blick in die Zukunft sieht düster aus
- Eine Umfrage unter Homeday-Immobilienmaklern ergab, dass 65 Prozent davon ausgehen, dass die Immobilienpreise im Jahr 2023 sinken werden.
- „Europa wird die große Rückabwicklung von 10 Jahren leichten Geldes erleben“, sagte Skardon Baker, ein Partner bei der Private-Equity-Firma Apollo Global Management. „Das Ausmaß der Verzweiflung und der Verwerfungen ist unvorstellbar groß.“
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Fazit
Den Immobilienkönigen wird gerade die Krone weggerissen. Es findet ein Sturm auf ihre Latifundien statt, der auch den Hofstaat der sie stützenden Fondsgesellschaften und Bankvorstände nicht verschonen wird. Der Volksmund kennt die Unerbittlichkeit des Zusammenhangs: mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.
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#Immobilien #Finanzen #Aachen