„Deutlich weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich – wirtschaftlich ist das eine Milchmädchenrechnung“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der „Bild am Sonntag“. „Nur mit mehr Bock auf Arbeit und Innovationen werden wir unseren Sozialstaat und den Klimaschutz auf Dauer finanzieren können.“
Offen zeigte sich Kampeter hingegen für Vier-Tage-Wochen bei gleichbleibender Stundenzahl. Er habe nichts gegen individuelle Lösungen in den Betrieben, so Kampeter weiter. „Wenn es möglich ist, 39 Stunden in der Woche auf vier Tage zu verteilen – auch gut. Wir plädieren sehr für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts.“ Aber eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit sei „ein falsches Signal in unserer Lage“.
Mercedes-Chef lehnt Vier-Tage-Woche strikt ab – IG-Metall-Chef verteidigt Vorschlag
Auch Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius lehnte die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche strikt ab. „Wenn unsere erste Priorität ist, bei vollem Lohnausgleich weniger zu arbeiten, gewinnen wir international kein Spiel mehr“, sagte Källenius zu BamS. „Unsere Industrie befindet sich in einer Jahrhundert-Transformation. Da müssen wir die Ärmel hochkrempeln. Sonst verlieren die deutschen Autohersteller ihren Spitzenplatz auf der Welt.“
Der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, hingegen verteidigt den Vorschlag seiner Gewerkschaft. Er rechnet damit, dass mit der Vier-Tage-Woche das Arbeitsvolumen insgesamt gesteigert wird. „11 Millionen Beschäftigte, meist Frauen, arbeiten in Teilzeit. Das sind fast 30 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, das ist mit der höchste Anteil in Europa“, sagte Hofmann der „Bild am Sonntag“. „Unsere Beschäftigtenbefragungen haben klar ergeben: Mit der Vier-Tage-Woche à 32 Stunden wären viel mehr Frauen bereit, in Vollzeit zurückzukehren, weil dieses Modell auch mit Familie funktioniert.“ Würden nur 10 Prozent der Frauen in Teilzeit auf die Vier-Tage-Vollzeit gehen, würde das Arbeitsvolumen stärker steigen als durch die von der Regierung angestrebte Fachkräfteeinwanderung von 400.000 Menschen pro Jahr, so Hofmann weiter.
„Zuallererst brauchen wir die Vier-Tage-Woche für Berufe, in denen kein Homeoffice möglich ist“
Hofmann rief die Arbeitgeber außerdem dazu auf, den neuen Realitäten ins Auge zu schauen. „Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt. Als ich jung war, wurde als Erstes gefragt: Was verdiene ich? Bei jungen Leuten heute steht Arbeitszeit ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Leute haben schon Bock auf Arbeit. Aber auf gute Arbeit, sie wollen eben auch Zeit für Familie und Freizeit. Darauf müssen wir uns einstellen.“
Hofmann fordert: „Zuallererst brauchen wir die Vier-Tage-Woche für Berufe, in denen kein Homeoffice möglich ist, wie auf Baustellen. Und für Schichtarbeit. In der Stahlindustrie ist das besonders krass: Ein Hochofen muss durchlaufen. Wer mal früh, mal spät, mal nachts arbeiten muss, für den sind drei Tage Wochenende sehr entlastend.“
Bei den Menschen in Deutschland kommt die Vier-Tage-Woche gut an. Laut einer repräsentativen INSA-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ (1003 Befragte am Freitag) sind 37 Prozent der Meinung, dass Arbeitnehmer in Deutschland zu viel arbeiten, nur 10 Prozent glauben, dass zu wenig gearbeitet wird (genau richtig: 47 Prozent). Den Vorstoß der IG Metall für eine Vier-Tage-Woche in der Stahlindustrie finden 48 Prozent richtig und 40 Prozent falsch.
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